Vorurteile in Deutschland: Der unüberbrückbare Spalt

Die “Mitte-Studie” untersucht seit 2002 die Radikalisierung der Gesellschaft. In der diesjährigen Untersuchung stellen die Forscher fest: Durch Deutschland zieht sich ein unüberbrückbarer Spalt. Besorgniserregend sei vor allem eine Minderheit, die zu Gewalt neige. Mit der “Mitte-Studie” der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung untersuchen Forscher seit 14 Jahren, wie weit in Deutschland Vorurteile verbreitet sind. Abgefragt werden in aufwändigen Erhebungen Phänomene wie Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Antiziganismus (Anm. d. Red.: Herabwürdigung von Sinti oder Roma) oder auch Abwertung von behinderten Menschen. Die Forscher kommen in der aktuellen Studie, die heute in Berlin vorgestellt wurde, zu zwei zentralen Ergebnissen: Die Zustimmung zu Vorurteilen ist in den vergangenen Jahren insgesamt zurückgegangen – allerdings stellen die Wissenschaftler eine zunehmende Polarisierung  der Gesellschaft fest. So gebe es eine gefestigte und sich radikalisierende Minderheit, die “sich von demokratischen Diskursen entkoppelt hat, feindselig denkt und verstärkt auch feindselig handelt”.
Insbesondere die gesellschaftliche Mitte sei gespalten, dort würden sowohl Meinungen vertreten, “die Gleichwertigkeit als Grundfeste der Demokratie betrachten, als auch menschenfeindliche Einstellungen, die diese Grundfeste in Frage stellen und gefährden”, warnen die Forscher. Es sei “ein tiefer Spalt entstanden, der derzeit kaum überbrückbar zu sein scheint”. Die Zustimmung zu Vorurteilen ist in den vergangenen Jahren insgesamt zurückgegangen. Doch den “Fairplayern” steht eine radikale Minderheit gegenüber. Medien bieten Populisten großes Forum Dieser grundlegende Konflikt zwischen mehr oder weniger Offenheit, Liberalität und Gleichwertigkeit münde auf der Straße in Gewalt – insbesondere in Deutschland, betonen die Wissenschaftler: In keinem anderen Land hätten so viele Asylunterkünfte gebrannt. Zudem seien die sozialen Medien “voller Hass” – und auch die seriösen Medien forcierten “nicht selten eine unkritische, unreflektierte Übernahme und Weitergabe von Bedrohungsrhetorik durch die Verwendung von dramatischen Bildern und Begrifflichkeiten”. Zudem profitierten Populisten davon, dass seriöse Medien ihnen oft ein Forum böten. Damit werde die Strategie der Neuen Rechten befördert, “Positionen, die vormals von allen als eindeutig undemokratisch und rechtsextrem verstanden wurden, nun als eine legitime Möglichkeit im Meinungsspektrum anzusiedeln”, kritisieren die Forscher. Den Zuschauer erreiche “zur besten Sendezeit menschenfeindliche und antidemokratische Botschaften, die ihm geadelt und abgesegnet durch die seriös erscheinende politische Debattenrunde, als offenkundig denk-, sag- und durchführbar erscheinen”. “Spiel mit den Ängsten der Menschen” AfD-Anhänger radikalisieren sich Ausführlich beschäftigt sich die Studie mit der AfD, deren Anhängerschaft nicht nur gewachsen sei, sondern sich – parallel zur Ausrichtung der Partei – auch radikalisiert habe. Die AfD versuche, sich als realpolitischer Machtfaktor eines rechten Kulturkampfes gegen die liberale multikulturelle Einwanderungsgesellschaft in Frontstellung zu bringen – als eine “Alternative gegenüber den Blockparteien und dem links-rot versifften 68er-Deutschland”, wie es Brandenburgs AfD-Vorsitzender Alexander Gauland in drastischer Wortwahl zum Ausdruck gebracht habe. Im Aufruf zum nationalen “Widerstand” verschwimmen der Studie zufolge die Grenzen zwischen Nationalkonservatismus, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Die AfD habe sich dabei “zu einem parteipolitischen Dach neurechter und rassistischer Protestmilieus entwickelt” und suche die Allianz mit anderen radikal rechten Kräften in Europa sowie außenpolitische Kontakte zum autoritären Putin-Regime.

Source: Vorurteile in Deutschland: Der unüberbrückbare Spalt | tagesschau.de

mastodon.social/@dokmz"