Bisher führten alle Spuren zu den Verfassern der rechtsextremen Drohmails ins Leere. Nun deuten sich weitere Verbindungen zu offiziellen Stellen an. Josef Schuster ist es gewohnt, bedroht, beschimpft, beleidigt zu werden. Doch was der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland von einem oder mehreren Nazis namens „NSU 2.0“ bekommen hat, ist an Widerwärtigkeit kaum zu übertreffen. Die erste Mail ging am 11. Januar 2019 ein und wurde auch an Aiman Mazyek gesandt, den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland. In der Betreffzeile steht, „Aufruf zur Vernichtung von Josef Schuster und Aiman Mazyek“, es folgen Mordfantasien. Die zweite Mail kam beim Zentralrat der Juden am 21. Juli 2020 an. Wieder Mordparolen, aber kürzer und mit anderem Namen im Absenderfeld. „NSU 2.0“ ist für abgedrehte Rechtsextremisten das Logo für virtuellen Horror geworden. Die perfide Inszenierung funktioniert. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über eine Drohung von „NSU 2.0“ berichtet wird. Inzwischen sollen fast 70 Menschen Drohmails erhalten haben, sagen Sicherheitskreise. Die Zahl der Betroffenen sei noch größer, manche Drohungen wurden an mehrere Personen versandt. Und es fällt auf, dass viele Frauen attackiert und obszön beleidigt werden. Das Thema „NSU 2.0“ wird größer und größer, vermutlich zur Genugtuung der Hassmailschreiber. (…) Ein ähnlicher Flopp könnte der Fall des Ex-Polizisten Hermann S. sein, den Beamte des bayerischen und des hessischen Landeskriminalamts in Landshut vor gut einer Woche festgenommen haben. Auch seine Ehefrau wurde von der Polizei mitgenommen, doch das Paar kam wieder frei. Womöglich hat ein „NSU 2.0“-Fanatiker Hermann S. instrumentalisiert. Der Täter hatte im Juli Drohmails mit der Unterschrift „NSU 2.0“ verschickt und im Absenderfeld „Eugen Prinz“ angegeben. Eine seiner Hassbotschaften war die, mit der Josef Schuster am 21. Juli belästigt wurde. Hermann S. schreibt unter dem Pseudonym „Eugen Prinz“ Texte für das rassistische Internetportal „PI-News“. (…) In den vielen Mails werden unter anderem SS-Runen mit kinderpornografischen Bildern kombiniert. Außerdem verlangt der Täter große Summen in der Kryptowährung Bitcoin. Die Sicherheitsbehörden halten den Täter für einen Komplizen von André M., der sich seit April vor dem Berliner Landgericht verantworten muss. Der 32-Jährige hatte mutmaßlich als „NationalSozialistischeOffensive“ bundesweit Bombendrohungen verschickt. Als der Prozess gegen M. begann, drohte „NSU 2.0“ dem Vorsitzenden Richter per Fax mit „zahlreichen Sprengsätzen“ im Gebäude.

via tagesspiegel: Wer steckt hinter „NSU 2.0“? Technisch versiert, rechtsextrem und voller Hass