Parteifunktionär Stefan Bauer fällt als rabiater Akteur bei Corona-Protesten auf. Im Kreisverband scheint die Rückendeckung zu schwinden. Attila Hildmann redet sich in Rage an der Absperrung zu Journalisten und anderen Beobachtern seiner Kundgebung. Der Kochbuchautor, bekannt geworden als Leitfigur einer aggressiven Bewegung von Corona-Verschwörungstheoretikern, beschimpft die Zuschauer als “Faschisten”, deren Schutzmaske nennt er “Damenbinde, die du in der Fresse hast”. Und er droht: Man werde “eure Namen finden und dann gucken wir weiter”. Auch wenn das nicht so konkret ist wie die Hinrichtungsfantasie, die er unlängst über den Grünen-Politiker Volker Beck äußerte (“Todesstrafe durch Eier-Treten auf öffentlichem Platz”) – Journalisten des Vereins Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) fühlten sich an jenem Tag “Bedrohungen, Einschüchterungen und massiven Bedrängungen ausgesetzt” und dokumentierten das per Video. In Hildmanns Entourage, wohl als eine Art Hofberichterstatter an jenem Junitag: Stefan Bauer, Youtuber, Vorstandsmitglied der AfD im Landkreis Rosenheim. Bauer ist derzeit sehr präsent im Netz und auf Plätzen, er begleitet vorgeblich als Berichterstatter Veranstaltungen von “Corona-Rebellen”; dabei tritt er auch selbst als eine Art Akteur in Erscheinung. Im Berliner Fall mit Hildmann versucht er, Journalisten offenbar zu einem Interview für seinen Kanal zu nötigen. Betroffene fordern Bauer mehrmals auf, den Mindestabstand zwecks Infektionsschutzes einzuhalten. Selbst nach Ermahnung durch Polizisten gibt Bauer die Belästigungen nicht auf, für ihn gälten Abstände nicht, sagt er. Wer nicht möchte, brauche kein Interview zu geben, meint ein Polizeibeamter. Bauer sagt: “Doch.” Das JFDA schrieb im Nachhinein: “Die Aggressivität und Hartnäckigkeit, mit der Stefan Bauer agierte, weist eine erhebliche Bedrohlichkeit auf”, man fühlte sich “traktiert” von dem AfD-Mann, der Schriftführer im Rosenheimer Kreisverband ist. Unter dem Stichwort “Regierungskriminalität” auf seiner Seite neigt er zum Ansatz, es gebe eine große Weltverschwörung gegen die Bürger. Die AfD in und um Rosenheim gibt sich gerne bürgerlich und sachorientiert, die Landtagsabgeordneten Andreas Winhart und Franz Bergmüller geben den Ton an. Oft polternd und mitunter grenzwertig scharf gerade beim Thema Migration, aber ohne klaren Rechtsextremismus. Im völkischen Lager der AfD werden die Rosenheimer oft als “Halbe” verspottet – halbe Patrioten. Wie passt da ein Vorstandsmitglied dazu, das wenig Hemmungen zeigt und sich im Fall Hildmann mit Leuten umgibt, die Hitler loben (“ein Segen im Vergleich zur Kommunistin Merkel”)?

via sz: Die AfD und ihr Filmemacher

siehe dazu auch (29062020): Die Medienarbeit des Stefan Bauer: lauterer Journalismus oder provokative Bedrängung mit Gefährdungspotential? Teil 2 zur Berichterstattung des JFDA: Angriff auf Pressefreiheit bei Hildmann-Kundgebung Nachdem auf der Hildmann-Kundgebung am Samstag, den 27.06.2020, ein Pressevertreter des JFDA massiv von Attila Hildmann und dessen Anhänger:innen bedroht und bedrängt worden ist, kam es zu einer weiteren Gefährdungssituation durch den YouTube-Aktivisten, selbsternannten Journalisten und Mitglied des Vorstandes der AfD Rosenheim, Stefan Bauer. Bauer, der bereits bei den vorangegangenen Kundgebungen von Attila Hildmann zu beobachten gewesen ist und regelmäßig in Live-Streams über die Protestbewegung des Vegankochs und Verschwörungsideologen berichtete, verfolgte den Mitarbeiter des JFDA auch dann noch, als dieser bereits von der Kundgebung abgedrängt worden war und den Schutz durch die anwesenden Polizeibeamten erbeten hatte. Ohne Unterlass traktierte Bauer den Pressevertreter mit Fragen und ignorierte dabei den coronavirusbedingten Mindestabstand von 1,50 Meter. Selbst die Aufforderung durch die Polizei, den erforderlichen Abstand zu wahren, hinderte Bauer nicht daran, weiter zu drängen, und dem Beamten despektierlich zu ermahnen, er solle ihm nicht erklären, wie er seine Arbeit zu tun hätte. Für ihn als Journalisten gelten solche Abstandsregelungen nicht, so Bauer. Dabei beschnitt er mit dem Verweis auf seine Pressefreiheit die Ausübung der Pressearbeit des JFDA-Mitarbeiters so gravierend, dass dieser seine Berichterstattung nicht adäquat fortsetzen konnte. Stefan Bauers Bedrängungen und Missachtungen eines professionellen journalistischen und den Infektionsschutz berücksichtigenden Verhaltens gingen soweit, dass sich der Pressevertreter des Jüdischen Forums gezwungen sah, immer weiter Zuflucht hinter den Beamten und Fahrzeugen der Berliner Polizei zu suchen. Als auch das Bauer nicht aufhielt, forderte der JFDA-Mitarbeiter ihn schließlich eindringlich auf, er möge endlich aufhören, ihn zu verfolgen und zu bedrängen, er wolle nicht mit ihm sprechen. Die Aggressivität und Hartnäckigkeit, mit der Stefan Bauer agierte, weist eine erhebliche Bedrohlichkeit auf und ist bezeichnend für eine Strategie, die vermehrt bei rechtsoffenen und rechtsextremen YouTube-Aktivist:innen und Berichterstattenden zu beobachten ist. Konsequentes Bedrängen, Behauptungen aufstellen und „Framing“ sollen dazu führen, Aufmerksamkeit zu erzeugen und wahrgenommen zu werden. Provokation ist das Mittel der Wahl.Mit dieser Strategie werden unlautere Absichten verfolgt, die nichts mit objektiver Berichterstattung, ethisch korrektem und kollegialem Journalismus gemein haben. Vielmehr werden kritisch berichtende Journalist:innen sowie gegnerische Aktivist:innen mit Fragen und Nachstellungen so lange bedrängt, bis sie sich entweder zu einer strafbaren Äußerung wie einer persönlichen Beleidigung provoziert sehen, die sofort zur Anzeige gebracht wird, oder aber ihre Reaktionen ins Lächerliche gezogen und zu Zwecken der Denunziation und unreflektierten Belustigung ins Netz gestellt werden.