Während am vergangenen Samstag bundesweit tausende Menschen dem sechs Monate zurückliegenden rassistischen Anschlag in Hanau und seinen neun Todesopfern (Link zur Initiative 19. Februar) gedachten, fand in Jena-Maua im Gasthaus „Goldenes Schiff“ ein überregionales Treffen extrem rechter Burschenschaften statt. Ausrichter waren die Burschenschaften Normannia zu Jena und Alte Burschenschaft auf dem Burgkeller Jena. Neben den beiden gastgebenden Jenaer Burschenschaften, deren Mitglieder zum Fechtkampf antraten, nahmen Mitglieder der Burschenschaften Saxo-Silesia Freiburg, Halle-Leobener Germania, Rugia Greifswald, Germania Leipzig, Arminia Leipzig und Dresdensia Leipzig teil. Die Burschenschaften gehören dem Zusammenschluss Waffenring Halle-Leipzig an (Broschüre des Stura Dresden). Es reisten über 40 Personen aus mehreren Bundesländern an. Mehrere der Burschenschaften sind einschlägig aus dem Neonazi-Milieu, aus den Netzwerken der Identitären Bewegung und aus bewaffneten und neofaschistischen Prepper-Netzwerken bekannt. Das Goldene Schiff in Jena-Maua wurde somit einmal mehr zum Treffpunkt der extremen Rechten, nachdem sich das Lokal bereits zum festen Stützpunkt der AfD Jena-Saale-Holzland-Kreis etabliert hatte. Pikantes Detail: Der rechte Treffpunkt ist gleichzeitig das Wahllokal für den Bezirk Jena-Maua und bei der letzten Landtagswahl erzielte die AfD dort ein Top-Ergebnis. Der Austragungsort des Burschenschaftstreffens stand bereits in der Vergangenheit in der öffentlichen Kritik: Nachdem die AfD in Jena weder ein Parteibüro halten, noch dauerhaft Gaststätten für ihre internen und öffentlichen Veranstaltungen finden konnte, wich sie wiederholt auf das Goldene Schiff in Jena-Maua aus. Der Wirt Jörg Petersdorf störte sich mehr an der Kritik und antifaschistischem Protest gegen sein Lokal als daran, Rückzugsort für die rechten Hetzer der AfD aus Jena und dem Saale-Holzland-Kreis zu sein. Die Behörden hielten denoch an dem Gasthaus als Wahllokal für den Bezirk Maua fest. Im Nachgang der Landtagswahl, bei der in seinem Lokal die AfD ein Spitzenergebnis erzielen konnte, wurde das Lokal passend als “Blaues Schiff” bezeichnet. Dagegen protestierte der Gastwirt, da „(…) sein Haus allen Vereinen und Parteien offen stehe, insofern diese nicht einen extremistischen Charakter hätten.“ (OTZ vom 30.10.2019).
Dass diese Floskel zumeist dann bemüht wird, wenn eine fehlende Abgrenzung in neofaschistische Kreise gerechtfertigt werden soll, zeigt auch das Burschentreffen vom vergangenen Samstag. Wäre es Petersdorf ernst mit seiner Aussage und würde er tatsächlich Wert auf die Meinung der Extremismus-Ideolog*innen vom Verfassungsschutz legen, hätte eine einzige Internetsuche gereicht: Die Burschenschaft Normannia wird seit vielen Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet, genauso wie die Identitäre Bewegung und EinProzent, bei denen Normannia-Mitglieder aktiv sind, wie wir mehrfach (1, 2, 3, 4) berichteten. Der Gastwirt bevorzugt es aber offenbar, mit seinem Lokal allen rechten Hetzern und Neonazis, die zwischen Jena und Kahla Raumfindungsschwierigkeiten haben, ein zuverlässiger Stützpunkt zu sein. Bereits die Gründungsumstände der Burschenschaft Normannia zu Jena prägten ihren Weg, der seit 1999 bis ins Jahr 2020 für die Verknüpfung rechtskonservativer Strömungen und militanter Neonazigruppen steht. Die Burschenschaft Jenensia, zu deren alten Herren auch CDU-Lokalpolitiker zählten, organisierte im Herbst 1999 eine Lesung mit dem neofaschistischen Verleger Peter Dehoust in der Jenaer Rathenaustraße. Als Saalschutz wurden Mitglieder des militanten Thüringer Heimatschutz (THS) engagiert, darunter die NSU-Unterstützer Tino Brandt und André Kapke oder der Überbringer der NSU-Mordwaffe, Carsten Schulze. Als die bürgerlichen alten Herren aufgrund öffentlicher Proteste um ihren Ruf fürchteten, trat der offen faschistische Teil der Jenensia aus und gründete zusammen mit Peter Dehoust die Burschenschaft Normannia zu Jena. Ralph Oertel (früherer Artikel), damals ein junger Aktivist von NPD und THS und später Student der Geschichte, gehört als Mitglied der ersten Stunde bis heute zu den prägendsten Kadern der Burschenschaft.

via rechercheportal jena: NS-Ideologie und Fechtduelle: Überregionales Treffen extrem rechter Burschenschaften in Jena-Maua am 22.08.2020