Immer wieder eignen sich Nazis Subkulturen an, um ihre faschistische Ideologie zu verbreiten. Auch die Technoszene ist dagegen nicht immun. Besonders anfällig dafür scheint das Subgenre „Dark Techno“ zu sein. Durch Codes und Symbole in der Ästhetik und Aufbereitung werden rechtsextreme Ideen normalisiert und der Nationalsozialismus verharmlost – verpackt als vermeintlich rebellische Provokation. Nazis sind nicht besonders kreativ. Das merkt man daran, dass es ihnen nie gelungen ist, eine eigene subkulturelle Bewegung auf die Beine zu stellen. Stattdessen eignen sie sich einfach Ästhetiken und Kunstformen von anderen an – und füllen diese mit menschenverachtenden Inhalten. Das zeigen beispielsweise die „Erfindungen“ „Rechtsrock“ oder „Rechtsrap“. Aber auch Teile der Technoszene weisen Anhaltspunkte für rechtsextremes Gedankengut auf. Vor allem wirkt das Subgenre „Dark Techno“ aktuell besonders anfällig für NS-Symbolik – eine absurde Aneignung, denkt man an die queeren und schwarzen Wurzeln von elektronischer Tanzmusik. „Dark Techno“ ist eine besonders düstere und apokalyptisch klingende Nische des Genres, die sich durch einen schnellen, martialisch-maschinellen Rhythmus und ominöse industrielle Klänge auszeichnet. So weit, so Berghain. Doch die künstlerische Drohkulisse dieser Strömung mangelt an den Nuancen und Tiefen, dem Pathos und der Präzision, die elektronische Musik zu einer Kunstform machen – und nicht nur zu einem vollgepumpten Partysoundtrack für rechtsoffene Steroidfreunde. Hören rechtsextreme Musikliebhaber*innen Techno wegen musikalischer Feinheiten? Zweifelhaft. Doch während im Rock oder Rap rechtsextreme Inhalte durch Songtexte vermittelt werden, bieten die atonalen Geräuschkulissen und gesanglosen Beats im Techno mehr Interpretationsspielraum. Und genau diese Ambiguität macht der Techno anschlussfähig für diverse Gruppen, die ihre eigenen, in diesem Fall menschenverachtenden, Ideologien hineinprojizieren können. Die rechtsextremen Anspielungen liegen im „Dark Techno“ weniger in Texten, sondern in der Ästhetik und Aufbereitung, die bei manchen Acts etwa Bezüge zum Nationalsozialismus enthalten.
Rechtsextreme Inhalte werden hier vor allem durch Tracktitel, Album-Artwork und Party-Plakate vermittelt. Das zeigt beispielsweise die EP „Blood and Hornor“ (sic) des deutschen Technoproduzenten Marcel Paul, die letztes Jahr auf dem Koblenzer Label „Feind“ erschienen ist. Der Titel ist ein klarer Bezug auf das in Deutschland seit 2000 verbotene rechtsextreme Netzwerk „Blood & Honour“ (zu Deutsch: Blut und Ehre). Trotz Verbot sind die Strukturen allerdings weiterhin aktiv. Als bewaffneter Arm von „Blood & Honour“ gilt die rechtsterroristische Organisation „Combat 18“, die im Januar 2020 in Deutschland verboten wurde. Warum aber „Hornor“? Auf Facebook postet der 33-jährige Paul aus Westerwald pünktlich zur Veröffentlichung der EP eine Antwort auf genau diese Frage: In seinem Post kündigt er seine EP „Blood & Honor“ (mit korrekter Orthografie) an und erklärt die alternative Schreibweise mit einem „winzigen Formfehler“ – und sehr vielen lachenden Emojis. So erweckt er den Eindruck, dass er mit der Schreibweise „Hornor“ eine mögliche Zensur des Titels verhindern wollte. Diese Strategie ging auch auf: Der Release war bis vergangenen Freitag auf „Beatport“, einer Plattform für elektronische Musik, zu kaufen. Auf eine Anfrage von Belltower.News mit einer Liste von dort erhältlichen Tracks und Künstler*innen mit problematischen rechtsextremen Bezügen reagierte „Beatport“ bis Redaktionsschluss nicht. Das EP „Blood and Hornor“ wurde allerdings kurz nach unserer Anfrage kommentarlos von der Webseite heruntergenommen. Ein Anfang. Doch die EP ist immer noch auf „Soundcloud“, „YouTube“, „iTunes“, „Deezer“ und „Spotify“ zu finden. Auch der Track „Gas Chamber“ des bulgarischen Produzenten Grozdanoff wurde von „Beatport“ direkt nach unserer Anfrage gelöscht, ist aber weiterhin auf etlichen anderen Plattformen aufrufbar. Ein Einzelfall? Wohl kaum. Zu Marcel Pauls anderen Tracks gehören martialische Titel wie „Frontline“ und ein Remix von „Electrical War“. Ebenfalls in die rechte Richtung interessiert ist Pauls „Feind“-Labelfreund Eugen Kunz, ein Techno-Produzent und DJ aus Koblenz, mit dem Paul zusammen produziert. Auf Kunz‘ Facebook-Profilbild posiert er vor der Reiterstatue des ersten deutschen Kaisers Wilhelm I. am „Deutschen Eck“ in Koblenz. Kurt Tucholsky sagt zu der Statue schon 1930 sehr passend: Das Denkmal sei „ein Faustschlag aus Stein“, der jenes Deutschland repräsentiere, das am Kriege schuld gewesen ist.

via belltower: Rechtsextremer Techno Raven für Deutschland