Die Mitglieder vieler terroraffiner rechtsextremer Gruppen auf „Telegram“ und „Instagram“ sind junge Jugendliche, fast noch Kinder. Wie gefährlich ist das? Sehr junge Neonazis erscheinen oft zwischen lächerlich und gefährlich. In Durham, Großbritannien, wurde im vergangenen Jahr ein 16-Jähriger verhaftet, weil er Anschläge auf Synagogen und Moscheen plante. Und „plante“ meint in diesem Fall: Er hatte eine Liste von Anschlagszielen in seinem Heimatort verfasst. Er hatte begonnen, ein eigenes Manifest zu seinem „Guerillakrieg“ zu verfassen. Er hatte versucht, sich Chemikalien für den Bombenbau zu besorgen – Anleitungen hatte er online gefunden. Also alles sehr überlegte und erschreckend konkrete Handlungen, die von seinem Willen zum Attentat zeugen. (…) Interessant ist dann auch seine Entwicklung im Prozess: Dort gab er an, er sei gar kein Neonazi, er habe nur ein rechtsextremes „Alter Ego“ im Netz erschaffen, um andere zu schockieren und zu einer Gruppe dazu zu gehören, weil er sich so isoliert gefühlt habe. Er sei zwar „normal rechts“, möge Nigel Farage, sei aber kein Extremist – das sei nur seine Persona online. Während die Polizei ihm im Gericht vorwarf, das sei nur eine Schutzbehauptung und Lüge, führt diese Frage doch in das Herz der Überlegung, was passiert, wenn Jugendliche, fast noch Kinder, online als Neonazis auftreten. Vielleicht log der 16-Jährige vor Gericht. Vielleicht sagt er aber auch insofern die Wahrheit, dass ihm nicht klar war, was seine sich besonders enthemmt, radikalisiert und entmenschlicht gebenden Online-Postings für Konsequenzen in der Offline-Welt haben können– nicht zuletzt für diejenigen, die so bedroht werden und für die es unerheblich ist, ob sie wegen eines unüberlegten Jugendlichen oder wegen eines ideologisierten Neonazis um ihr Leben fürchten. Wohlmöglich ja sogar wegen beidem. Der Jugendliche aus Durham ist kein Einzelfall. Es gibt weitere Fälle 2019 in UK – hier wurden etwa zwei 18- und 19-Jährige wegen „Terrorpropaganda“ für eine Gruppe namens „Sonnenkrieg Division“ verurteilt. In diesem Fall gibt es keine ungelenken Zeichnungen aus dem Kinderzimmer, hier geht es um professionell produzierte, aber inhaltlich verrohte Memes in schwarz-weiß-rot, rassistsch und antisemitisch, Pistole an den Kopf, Blutstropfen als Bildhintergründe. Die „Sonnenkrieg Division“, die Telegram-Gruppe, zu der die beiden sich zugehörig fühlen, sieht sich ihrerseits als Abspaltung der internationalen rechtsterror-affinen Struktur „Atomwaffen Division“ (vgl. Belltower.News), die in den USA mit sieben Morden in Verbindung gebracht werden. „Atomwaffen Division“ wurden wiederum inspiriert von „National Action“ in Großbritannien und vom „Iron March“-Forum in den USA. Der Rechtsextremismus – auch der Online-Rechtsextremismus – schafft wenig Neues, ist aber kreativ darin, seinen Form zu wandeln, um neue Menschen anzusprechen –gerade Jugendliche.

via belltower: Online-Radikalisierung Teenager als zukünftige Nazi-Terrorist*innen?