Rechte Bands, insbesondere Rechtsrock, sind eine besonders populäre Ausprägungsform des Rechtsextremismus und sind für viele der Einstieg in die rechte Szene. Was kennzeichnet die rechtsextreme Musikszene in der Ukraine? Welchen Einfluss hatten der Maidan und der Krieg im Osten des Landes auf diese – und welchen Einfluss hat rechtsextremistische Musik auf Politik und Gesellschaft? Der folgende Text analysiert diese und weitere Fragen am Beispiel der in der Ukraine populären Rechtsrock-Band Sokyra Peruna. Der Maidan und die Rechten Angesichts der propagandistischen Bemühungen des Kremls, den blutigen Protestwinter 2013/14, die Annexion der Krim sowie den inzwischen seit sechs Jahren andauernden Krieg im Donbas einer angeblichen »faschistischen Junta« in Kiew zuzuschreiben, scheint der Abwehrreflex vieler Ukrainer, Rechtsextremismus und Neofaschismus im eigenen Land empört zurückzuweisen, um der Propaganda des Kremls nicht in die Hände zu spielen, mehr als verständlich. Im Sommer 2020 machte der Fall um die Journalistin Jekaterina Sergatskowa des unabhängigen ukrainischen Onlinemediums Zaborona bis nach Deutschland Schlagzeilen: Ihr wurde vorgeworfen, mit einem Artikel über die Verbindungen eines Vertreters der angesehenen ukrainischen NGO Stop Fake zu ukrainischen Neonazis – darunter zum Sänger der Band Sokyra Peruna – der russischen Propaganda in die Hände zu spielen. Daraufhin erhielt Sergatskowa Morddrohungen und sah sich gezwungen, mit ihrer Familie unterzutauchen. Es besteht kein Zweifel daran, dass im Zuge des Euromaidans die Rechten lautstark von sich Reden machten und ihre rechtsradikale Rhetorik den politischen Mainstream erreichte. Das markanteste Beispiel ist der Umstand, dass sich ein großer Teil der ukrainischen Gesellschaft, die Politik und die Armee die Parole »Slawa Ukrajini! Herojam slawa! (»Ruhm der Ukraine! Ruhm den Helden!«) aneigneten. Diese Parole war in den 1920er Jahren im Bandera-Flügel der ultranationalistischen Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) verbreitet. Auch Schlachtrufe wie »Ruhm der Nation! Tod den Feinden!« und »Ukraine über alles!«, die vor dem Maidan nur bei rechten Gruppen wie der Ukrainischen Nationalistischen Selbstverteidigung (UNSO), der militanten Sparte der Partei Ukrainische Nationalversammlung (UNA) gebräuchlich waren, haben es aus ihrem Nischendasein in die Alltagssprache geschafft. Durch den Maidan und den Konflikt im Osten des Landes erhielten die Rechtsradikalen eine gesellschaftliche Aufwertung und wurden in den Medien und im öffentlichen Diskurs oft als »unsere Jungs«, »Helden des Maidan«, »Verteidiger der Ukraine« und »Patrioten« bezeichnet.
Dabei waren viele von ihnen zuvor marginale politische Akteure gewesen: junge Frauen und Männer aus informellen Kreisen der Rock- und Fußballsubkultur, ohne feste Strukturen und Organisationen und ohne öffentliche Beachtung. Einige Jahre vor dem Euromaidan versuchten die »alten Nationalisten« (die Allukrainische Vereinigung Swoboda (»Freiheit«), UNA-UNSO sowie die Nachfolger der OUN) ihre Basis zu vergrößern, indem sie versuchten, Fußball-Ultras, Straßen-Skinheads und andere Gruppen zu kooptieren. Jedoch wurde erst der Maidan zum Katalysator für diesen Zusammenschluss der alten Ultrarechten mit neuen Anhängern und integrierte allmählich rechtsradikale Jugendliche und junge Erwachsene in organisierte Strukturen ein.
Ukrainischer Rechtsrock zwischen slawischen Mythen, arischer Ideologie, ukrainischem Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus Der heutige Rechtsextremismus in der Ukraine ist eklektisch und setzt sich aus vielschichtigen Elementen zusammen: Es gibt Anleihen aus dem klassischen Faschismus, z. B. die Vorstellung von der Palingenese als der Wiedergeburt der Nation; die Berufung auf längst vergangene »goldene« Zeiten des Ruhmes und der Größe; sowie den Populismus, der einfache Lösungen für komplexe Probleme verspricht. Diese Elemente werden kombiniert mit solchen aus dem Nationalsozialismus, darunter Antisemitismus, Rassismus und Xenophobie. Hinzu kommen Elemente des Paganismus sowie ein ausgeprägter ukrainischer Nationalismus, der sich z. B. durch die Glorifizierung der OUN und deren militärischen Flügel UPA (Ukrainischen Aufstandsarmee) auszeichnet. Musik spielt als Instrument zur Verbreitung und Legitimierung der rechtsextremen Ideologie und Mobilisierung der Anhängerschaft eine zentrale Rolle. Dabei hat sie einen besonderen funktionalen Effekt, indem z. B. junge Menschen damit für die ultranationalistische Bewegung geworben werden. Durch Musik wird ein symbolträchtiger Raum für extremistische Politik geschaffen.

via länder-analysen: Rechtsradikale Musik in der Ukraine