Immer mehr Prominente verbreiten Verschwörungserzählungen und gründen Gruppen auf sozialen Medien wie Telegram. Dahinter steckt auch ein Geschäftsmodell. Vor den Stufen des Reichstags steht ein mittelgroßer Mann mit Jogginghose und weißem Pulli und hält ein Megafon in der Hand. Um ihn herum viele aufmerksame Gesichter, die seinen Worten folgen. Einige filmen mit ihrem Handy, andere lauschen gebannt. Mit lauter Stimme warnt Attila Hildmann seine Anhänger vor der “BRD GmbH”, die angeblich Deutschland beherrscht. Er warnt vor Christian Drosten, dem mächtigen Zwangschipper Bill Gates und einer “Neuen Weltordnung”, die demnächst kommen wird, alle Menschen unterwerfen und von den Mächtigen im Hintergrund gelenkt wird. Die Corona-Pandemie sei nur ein Deckmantel, um die Menschen gefügig zu machen, sagt Hildmann. Seine Brust hebt und senkt sich, während er die Worte voller Aggression ins Megafon brüllt. Auf seinem Pulli ist ein Ninja zu sehen, der kunstvoll sein Schwert schwingt, sowie in großen Lettern der Schriftzug eines Energy-Drinks, den Hildmann selbst entwickelt hat und seit einigen Jahren vertreibt. Das Geld fließt angeblich zu Teilen in ein Projekt, das dabei hilft, Tiger vor Wilderern zu retten.
Hildmann lässt sich seinen Kampf gegen die Eliten versilbern. Der überzeugte Veganer und Tierschützer Hildmann posierte in der Vergangenheit immer wieder auf seinen Instagram-Videos mit Geldscheinen und zeigte, wie viel Geld er wieder mal in sein Tigerprojekt investierte. Hin und wieder gab es auch Bilder von neuem Equipment für die Ranger, die sich um den Schutz der Tiger kümmerten. Die Bilder verfehlten nicht ihre Wirkung: Die Dosenlimonade ist so etwas wie der Verkaufsschlager von Hildmanns veganen Produkten. Hildmann macht es geschickt. Wo auch immer er auftritt und gegen die Regierung ätzt, präsentiert er das Logo seines Energydrinks auf seinem Porsche 911. Daneben gibt es natürlich den obligatorischen Pulli, den alle Fotografen, die bei seinen Demonstrationen präsent sind, prominent ablichten und weiterverbreiten. Eine gigantische Werbefläche mitten auf Hildmanns Brust. Was für eine Ironie: Attila Hildmann, der sich selbst als Freiheitskämpfer gegen düstere Mächte darstellt und vor den geheimen Machenschaften großer Konzerne und GmbHs warnt, macht eben dort vor dem Reichstag umgeben von einigen hundert Menschen selbst Werbung für seine eigene Firma, die “Attila Hildmann Empire GmbH”. Und die verfehlt nicht ihre Wirkung. In der Menge vor Hildmann steht eine Frau und ruft “Attila Hildmann for President”. In ihrer rechten Hand hält sie Hildmanns Dosenbrause, Geschmacksrichtung Himbeere. Hildmanns Werbung beschränkt sich nicht nur auf Demonstrationen. Auch in der Telegram-Gruppe, seinem Kanal, auf dem er Verschwörungsvideos und Botschaften mit Gleichgesinnten und vielen, vielen mitlesenden Journalisten teilt, eigene Audiobotschaften aufnimmt und gegen die Regierung hetzt, macht er Werbung für seine eigenen Produkte. Hildmann nutzt die Bühne, die ihm die Corona-Leugner geben, fürs Geschäft. Er lässt sich sein Engagement im angeblichen Kampf gegen Bill Gates versilbern. Verschwörungs-Influencer: Die Attila-Hildmann-Methode Um aus seiner Telegram-Gruppe Profit zu schlagen, hat sich Hildmann auf seine ursprüngliche Profession besonnen: Er war als veganer Koch, Kochbuchautor und Unternehmer bekannt geworden, verkaufte seine veganen Produkte über das Internet und – bis vor kurzem – über Supermarktketten. Seit ihm mehrere seiner Geschäftspartner in Folge seiner Auftritte als Corona-Leugner die Kooperation gekündigt haben, sucht er sich neue Vertriebswege. In seiner Telegram-Gruppe teilt Hildmann alles, was in seine Weltsicht passt. Das beinhaltet: Beleidigungen gegen Politiker, angebliche Belege für eine Weltverschwörung und Werbung für einen Nutella-Ersatz. Ja, richtig gelesen: Hildmann macht zwischen Agitationen gegen die vermeintliche “BRD GmbH” und seinem Hassobjekt Angela Merkel reichlich Werbung für die eigenen Produkte. Alle paar Posts gibt es mal wieder eine Anpreisung veganer Speisen – und, wie es sich für einen richtigen Influencer gehört – Rabatt für die Follower.

via watson: Telegram und Energydrinks: So machen Verschwörungsideologen Umsatz mit ihren Followern