Sie schlagen zu, verschicken Hitler­grüsse in Chat­gruppen und horten Munition für den Umsturz: Hat Deutschland ein Polizei­problem? Ja, findet Oliver von Dobrowolski. Er ist Kriminal­hauptkommissar in Berlin, Antifaschist – und schreckt nicht vor Kritik an seinem Berufs­stand zurück. (…) Am 4. Oktober wurde publik, dass es in der deutschen Bundespolizei 24 Verdachts­fälle von Rechts­extremismus und 20 Verdachts­fälle von Rassismus gibt. Am Tag davor flog ein Polizist in Thüringen auf, der rechtsextreme Chatnachrichten verschickt hatte. Noch mal zwei Tage davor berichtete der WDR über 25 Polizisten der Berliner Polizei, die über Jahre rechts­extreme Inhalte in Chats verbreitet hatten. Am gleichen Tag wurde die Wohnung eines Bielefelder Polizei­hauptkommissars durchsucht – wegen rechtsextremistischer Chats. Das sind die Vorfälle aus nur einer Woche – der Woche, bevor Oliver von Dobrowolski, Kriminal­hauptkommissar in Berlin und Vorsitzender der Polizeivereinigung Polizei Grün, die Republik in einem Café in Berlin-Lichterfelde zum Gespräch trifft. Nach dem Tod von George Floyd in den USA hatten in Deutschland während Wochen Handy­videos für Empörung gesorgt, die exzessive Polizei­gewalt in Düsseldorf und in Hamburg dokumentierten. Zudem waren mehrere Chatgruppen aufgeflogen, in denen Polizisten neonazistische Inhalte geteilt hatten. Oliver von Dobrowolski ärgert sich über jeden einzelnen dieser Fälle. Es sei schon «heftig gerade», sagt er. Und doch ist er froh, dass die Fälle publik werden: «Denn nun reden wir über Fehl­verhalten, Gewalt und – ganz besonders hässlich – Rechts­extremismus in der Polizei.» (…) Hat die deutsche Polizei ein Rassismusproblem? Sehen Sie, rassistische Gedanken gibt es in vielen Köpfen. Sie werden dann zum Problem, wenn die Gedanken konkrete Folgen haben. Das gilt für die Polizei ganz besonders. Wenn der Eisverkäufer da hinten rassistische Gedanken hat, ausländische Menschen beschimpft oder am Wochenende im Wald Kampfsport-Übungen macht, um den Umsturz zu proben, dann ist das verdammt krass und übel. Aber wenn Polizistinnen und Polizisten das tun, dann ist das der Worst Case überhaupt. Denn die laufen ja von Berufs wegen bewaffnet rum und können in jedermanns Grund­rechte eingreifen. Derzeit gibt es eine Debatte darüber, ob Rassismus bei der Polizei ein strukturelles Problem ist. Demgegenüber steht die Meinung, es handle sich um Einzelfälle. Aber es ist ein Witz, dass man ständig von Einzel­fällen redet.
Warum ein Witz? Wir haben in den letzten ein, zwei Jahren so unfassbar viele Fälle gesehen, dass man sie einfach nicht mehr als Einzel­fälle abtun kann. Jetzt sagen einige: Bei einer Viertel­million Polizistinnen und Polizisten sind mathematisch gesehen ein paar hundert Fälle nicht so schlimm. Aber in meinen Augen sind es trotzdem zu viele. Denn die rennen mit Waffen rum und spinnen ihre Ideen weiter. Vielen reicht es nicht, ein paar Haken­kreuze per Whatsapp rumzuschicken. In der jüngsten Vergangenheit sind Gruppen aufgeflogen, die hatten konkrete Pläne, politisch Anders­denkende zu beseitigen. Sie spielen auf die Gruppe Nordkreuz an: Prepper, die sich auf den Zusammen­bruch des Staats am Tag X vorbereiteten und Todes­listen erstellten. Nordkreuz, das Hannibal-Netzwerk, Uniter – und wie die alle heissen. Da wurden teilweise Tausende Schuss Munition gehortet, Leichensäcke, Löschkalk … Waren da auch Polizisten dabei? Polizisten, Soldaten, Spezial­einsatzkräfte, Kriminalpolizei. Seit rund zwei Jahren erhalten vorwiegend Frauen Mord­drohungen mit Absender «NSU 2.0», in Anlehnung an die neo­nazistische Terror­gruppe. Zuerst die NSU-Opferanwältin Seda Başay-Yıldız, später die Kabarettistin Idil Baydar, die Politikerinnen Janine Wissler, Anne Helm, Martina Renner, Helin Evrim Sommer und andere. Die Droh­schreiben beinhalteten Informationen, die nur den Polizei­behörden zugänglich waren. Wie kann so etwas geschehen? Zunächst einmal: Es ist absolut rechtswidrig, als Polizist überhaupt personen­bezogene Daten abzufragen. Das ist eine Straftat.

via republik.ch: «Vielen reicht es nicht, ein paar Hakenkreuze per Whatsapp rumzuschicken»

Police brutality at Nigerian Embassy protest.jpg
Von Berlin Refugee Strike – <a rel=”nofollow” class=”external free” href=”http://asylstrikeberlin.files.wordpress.com/2012/10/polizeigewalt.jpg”>http://asylstrikeberlin.files.wordpress.com/2012/10/polizeigewalt.jpg</a>, CC BY-SA 3.0, Link