Die Verschwörungsphantasien der “QAnon”-Bewegung finden auch in Deutschland immer mehr Anhänger. Nach Recherchen von WDR, NDR und SZ offenbar auch mit der Unterstützung eines Berliner Programmierers. Der 21. September 2020 ist ein großer Tag für den Mann, der sich im Internet “Resignation Anon” nennt. Der Telegram-Kanal, der für die Verbreitung von Verschwörungsphantasien namens “QAnon” in Deutschland am wichtigsten ist, würdigt ihn. Die 126.000 Abonnenten des Kanals erreicht die Nachricht: “Resignation Anon” sei einer der “ersten und bemerkenswerten deutschen Anons”, der “sehr bedeutende Arbeit” leiste. Man gratuliert ihm zum “1000-tägigen Jubiläum” als Anhänger von “Q”. “Q” ist der selbsternannte Prophet der Verschwörungserzählung “QAnon”, ein in großen Teilen antisemitischer und rassistischer Mythos. Dabei wird – ohne Belege – behauptet, die liberalen politischen und wirtschaftlichen Eliten würden einen internationalen Kinderhandelsring betreiben und die Welt werde von einer “Geheimregierung” gesteuert. “Q”, dessen richtige Identität bisher nicht enttarnt werden konnte, kommuniziert seit Oktober 2017 auf sogenannten Imageboards, Nischenforen im Internet, die frei von Zensur, aber voll mit Hassbotschaften gegen Frauen, Schwarze oder Migranten sind. Seiner wachsenden Anhängerschaft sendet er, ähnlich wie ein Sektenführer, Botschaften, die sogenannten “Drops”. Es sind Orakel oder Vorhersagen, in denen er dazu auffordert, Zeichen zu deuten oder Zusammenhänge zwischen Ereignissen herzustellen.
Vieles deutet darauf hin, dass der Mann, der sich “Resignation Anon” nennt, bei der massenhaften Verbreitung dieser Botschaften eine Rolle spielt. Nach Recherchen von WDR, NDR und SZ steht hinter dem Pseudonym mutmaßlich ein Programmierer aus Berlin, der die Verbreitung der “QAnon”-Inhalte nicht nur in Deutschland technisch unterstützt. In Chatgruppen auf Telegram brüstet er sich mit Kontakten zu hochrangigen “QAnon”-Vertretern und gibt auch an, an den Demonstrationen gegen die Anti-Corona-Maßnahmen in Berlin teilgenommen zu haben. Versuche mit dem Mann über seine Arbeit für die “QAnon”-Bewegung zu sprechen, scheiterten an seiner Ablehnung. Die Ergebnisse der Recherche zeigen aber, dass er mehrere Projekte und Plattformen verantwortet, die einen Teil der zentralen Infrastruktur der “Q”-Verschwörung im deutschsprachigen Raum darstellen. Dies sei ausschlaggebend, um die Bewegung am Leben zu erhalten, sagt Julia Ebner, Forscherin am Institut für strategischen Dialog in London. Sie beobachtet seit Jahren Plattformen von Rechten und Verschwörungstheoretikern. Den Nutzer “Resignation Anon” hält sie für einen der ersten deutschen “Q”-Unterstützer – und möglicherweise einer der wichtigsten. “‘Resignation Anon’ ist ein Account, der die technische Basis bereitstellt für die Bewegung, also die Infrastruktur aufgebaut hat und auch für das internationale Netzwerken verantwortlich ist”, sagt Ebner. Auch der Politikwissenschaftler Josef Holnburger, der die Chats von Verschwörungstheoretikern systematisch auswertet, sagt: “Die Arbeit von ‘Resignation Anon’ ist hierzulande vor allem für diejenigen wichtig, die Videos produzieren und die Erzählungen einem größeren Publikum zugänglich machen. Diese Verschwörungsideologen betten oft ‘QAnon’-Erzählungen ein und bereiten sie massentauglich auf”, sagt Holnburger.

via tagesschau: “QAnon” in Deutschland Der Dolmetscher des Hasses

akbVo