Es gibt Verbrechen von solch universeller Eindeutigkeit, dass kein staatliches Gesetz es vermag, sie zu legalisieren. Aus dieser Idee wurde vor 75 Jahren Wirklichkeit. Leider wird sie immer wieder verraten – bis heute. Es ist eine ganz simple Idee gewesen, die vor genau 75 Jahren vor den Augen des Saalpublikums im zweiten Stock des Nürnberger Justizpalasts in die Welt gesetzt wurde; so simpel, dass sie die Welt verändern konnte. Europa im Herbst 1945, das ist ein Gräberfeld, Millionen Menschen sind versprengt, verwirrt, verstört und allein auf Erden zurückgeblieben, und die Propaganda der verschiedensten Regime und politischen Gruppen brodelt noch immer oder schon wieder. Inmitten dieses Chaos haben die Alliierten im größten Gerichtssaal des Nürnberger Justizpalasts eigens eine Wand eingerissen, um Platz für die Weltpresse zu schaffen, und sie bereiten dort die Bühne nicht nur für eine Erforschung von individueller Schuld. Sondern für eine Demonstration.
Die 24 Männer, die sie dafür auswählen, bilden einen Querschnitt durch die Elite des Regimes. Diese Angeklagten stehen stellvertretend für jene Kräfte, die aus Sicht der Ankläger Europa in den Abgrund gerissen haben. Ihre Gruppe ist genau austariert: Nicht nur Nationalsozialisten sind darunter, sondern auch alte Nationalkonservative, Hitlers Steigbügelhalter – und nach längeren internen Diskussionen haben die Alliierten beschlossen, auch die Geldgeber und Industrieführer des NS-Systems mit auf die symbolträchtige Anklagebank zu setzen, repräsentiert durch zwei Banker und einen Rüstungsmagnaten. Die Nürnberger Miniatur aus 24 Angeklagten ist klein genug, um Übersichtlichkeit zu schaffen. Und sie ist eindringlich genug, um sich ins kollektive Bewusstsein und Gedächtnis einzuprägen. Es ist kein Zufall, dass dieser Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, der am 20. November beginnt, heute “ein fester Anker in der Erziehung unserer Kinder ist”, wie der amerikanische Völkerrechtler Mark Drumbl schreibt, anders als in späteren Jahrzehnten etwa die Mammutprozesse gegen weitaus unübersichtlichere 164 Kriegsverbrecher aus dem zerfallenen Jugoslawien in Den Haag. Der Nürnberger Prozess ist so fokussiert wie möglich. Und er ist, trotz seines Umfangs, von der ersten Minute an präzis auf eine Botschaft zugespitzt.

via sz: 75 Jahre Nürnberger Prozesse:Eine Idee, die die Welt veränderte

siehe auch: »Niemals aufgeben!«. Der 100 Jahre alte damalige Chefankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen, Benjamin Ferencz, hat zum Engagement für Frieden und gegen den Krieg aufgefordert. »Wir müssen das Recht aller Menschen in jedem einzelnen Land schützen, in Frieden und Würde zu leben. Das ist mein Ziel. Wenn ihr dieses Ziel auch habt: Tut dafür, was immer ihr könnt«, sagte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur in seinem Haus im US-Bundesstaat Florida. Er habe drei wichtige Ratschläge, die er jungen Leuten gerne mit auf den Weg gebe: »Nummer eins: Niemals aufgeben! Nummer zwei: Niemals aufgeben! Und Nummer drei: Niemals aufgeben!«

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