Ein EU-Lagebild fehlt noch immer – doch eine Studie im Auftrag des Auswärtigen Amtes untersucht jetzt zumindest die Vernetzung von gewaltorientierten Rechtsextremisten in mehreren Ländern. Die Szene generiert jedes Jahr Millionen. (…) Dass sich die rechtsextreme Szene über Musikevents, Kampfsport- und Schießtrainings mindestens europaweit organisiert, ist seit Jahren bekannt. Doch wie sich die Szene international vernetzt, wurde bislang nur unzureichend beleuchtet. Eine Weile sah es so aus, als wollten die EU-Mitgliedstaaten bei ihrem Umgang mit dem Rechtsextremismus künftig enger kooperieren, doch ein anvisierter gemeinsamer Lagebericht ist noch immer nicht erschienen. Das Auswärtige Amt aber hat im Rahmen der deutschen EU-Präsidentschaft in diesem Sommer eine Studie in Auftrag gegeben. Die Analyse mit dem Titel „Gewaltorientierter Rechtsextremismus und Terrorismus – Transnationale Konnektivität, Definitionen, Vorfälle, Strukturen und Gegenmaßnahmen“ befasst sich mit den Verbindungen von gewaltorientierten Rechtsextremen in Deutschland, den USA, Frankreich und Großbritannien sowie in zwei skandinavischen Ländern. Die Studie des Counter Extremism Project (CEP), ein internationaler gemeinnütziger Thinktank, konnte WELT vorab einsehen. Insbesondere seit 2014 ist demnach eine neue „führerlose, transnationale, apokalyptisch gesinnte, gewaltorientierte rechtsextreme Bewegung“ entstanden, schreiben die Autoren. Die rechtsradikalen Szenen der einzelnen Länder seien durch Narrative wie den „Großen Austausch“, den „Weißen Genozid“ und den „Tag X“ grenzübergreifend verbunden.
Die „weiße Rasse“ könne der Ideologie zufolge nur dann gerettet werden, wenn die Szene ihre ultranationalistischen Einstellungen überwinde und gemeinsam in den Kampf zöge. Die Studie verdeutlicht, dass die von dieser Bewegung ausgehende Gewalt kontinuierlich zugenommen hat. Festivals, Mixed-Martial-Arts-Veranstaltungen (MMA), Märsche und Demonstrationen seien regelmäßige Gelegenheiten, bei denen sich die Akteure aus verschiedenen Ländern träfen, Erfahrungen austauschten und neue Mitglieder rekrutierten. Zunehmend hätten die Rechtsextremisten Kontakte mit Vertretern osteuropäischer und russischer Gruppen geknüpft – etwa weil sie dort an paramilitärischen Camps teilnahmen. Um ihre „kriegerische Mentalität und Haltung“ aufrechtzuerhalten, benötigen sie finanzielle Mittel Auch darum seien Musik- und Kampfsportveranstaltungen länderübergreifend ein wichtiges Charakteristikum der Szene. Ziel sei dabei eine nachhaltige Finanzierung. Die Einnahmen bezeichnete der Mitverfasser der Studie und Senior Director von CEP, Hans-Jakob Schindler, in ihrer Höhe als „exorbitant“. Dies sei auch möglich, weil Veranstaltungen dieser Art oft als politische Veranstaltungen deklariert und Eintrittsgelder als Spenden angegeben würden. In den vergangenen Jahren habe sich in diesem Bereich eine eigene Struktur mit Firmen und Unternehmen herausgebildet. Hier gebe es noch Raum, so Schindler, um die Aktivitäten von staatlicher Seite intensiver zu kontrollieren und somit diese Finanzierungsstrukturen zu behindern. In Deutschland existiert ein Netzwerk rechtsextremer Musiklabels und Versandhändler, deren Umsatz sich 2012 allein in Sachsen auf etwa 3,5 Millionen Euro belief. Festivaleinnahmen der rechtsextremen Szene schätzen Experten auf bis zu zwei Millionen Euro. Deutsche Rechtsextremisten reisten für Konzerte in den vergangenen Jahren auch immer wieder ins Ausland.

via welt: „Transnationale, apokalyptisch gesinnte“ rechtsextreme Bewegung