Antisemitismus in Deutschland endete nicht mit dem Zweiten Weltkrieg. NS-Funktionäre arbeiteten in der Regierung mit, Täter wurden freigepresst. Derweil verhärtete sich der Ost-West-Konflikt. Das hatte auch Folgen für das Verhältnis zu Israel. Ein Blick in westdeutsche Medien zwischen 1949 und 1990 – in Kommentare, Leserbriefe und Bildunterschriften. Ob in Zeitungen, Rundfunk oder im Fernsehen: Immer wieder tauchen Stereotypen, Schuldzuweisungen und offener Antisemitismus auf. So wie diese: „Geschäftstüchtig: Der Handel mit Diamanten ist eines der lukrativsten Geschäfte in jüdischer Hand.“ Oder: „Auge um Auge, Zahn um Zahn. So steht es im Alten, jüdischen Testament – und so praktizieren es die Israelis.“ Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es solche antijüdischen Entgleisungen noch nicht, weiß der Berliner Historiker Wolfgang Wippermann: „In den ersten Jahren nach 1945 waren die Juden selbstverständlich ein Thema. Aber die Presse damals wurde sehr stark kontrolliert von den Alliierten, die Bundesrepublik war ja nicht souverän. Gerade bei diesem Thema – Nationalsozialismus, Holocaust, Juden – waren die alliierten Presseoffiziere sehr streng und haben also zensiert.“ Doch bald schon schleicht sich in die Gazetten des zertrümmerten Deutschlands wieder alte Propaganda ein. Besonders, wenn über die fast 200.000 „Displaced Persons“ berichtet wird – die heimatlosen, jüdischen KZ-Überlebenden. „Da gab es in der Bevölkerung Anklagen und Verdächtigungen, diese jüdischen Überlebenden des Holocaust würden sich am Schwarzmarkt beteiligen“, sagt Wolfgang Wippermann. „Sodass auch alte Stereotypen von den reichen, geschäftstüchtigen Juden weiterlebten und in den Zeitungen kolportiert wurden – auch trotz Zensur.“ Während bei den Nürnberger Prozessen von 1949 mehr als 200 Nationalsozialisten aus Politik, Verwaltung, Militär und Wirtschaft angeklagt und teilweise zum Tode verurteilt wurden, können Hunderte andere Verbrecher entkommen, vor allem auf der sogenannten Rattenlinie über Italien nach Südamerika. Unter den Flüchtlingen: KZ-Arzt Josef Mengele und Holocaust-Organisator Adolf Eichmann. Teilweise wissen CIA und BND von den Versteckten, unternehmen aber nichts. Denn der Kalte Krieg gegen den Ostblock hat begonnen, und der Westen kann das Wissen der Alt-Nazis gut gebrauchen.

via deutschlandfunk: Antisemitismus in WestdeutschlandIm Windschatten des Kalten Krieges