In einem Artikel der „Bild“ werden angebliche Aussagen von Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts, und eines Chefarztes zitiert: Demnach hätten bis zu 90 Prozent der Covid-Intensivpatienten einen Migrationshintergrund. Diese Aussagen haben keine statistische Grundlage – und wurden laut dem RKI und der Klinik aus dem Kontext gerissen. BEHAUPTUNG Einem Chefarzt der Bethanien-Klinik, Thomas Voshaar, zufolge hätten 90 Prozent der Covid-Intensivpatienten einen Migrationshintergrund, und laut RKI-Chef Lothar Wieler lägen „deutlich über 50 Prozent“ Menschen muslimischen Glaubens auf den Intensivstationen. Aufgestellt von: Bild. BEWERTUNG: UNBELEGT
Zur Herkunft oder Religion von Covid-19-Patienten gibt es keine statistische Grundlage. Laut RKI und der Klinik wurden die Aussagen der zitierten Personen von der Bild aus dem Kontext gerissen. In einem aktuellen Bild-Artikel (kostenpflichtig) liest es sich wie ein Fakt: Mindestens die Hälfte, womöglich sogar 90 Prozent der Covid-Intensivpatienten habe einen Migrationshintergrund. Das ergebe sich aus den Aussagen von Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), und Thomas Voshaar, Chefarzt am Bethanien-Krankenhaus in Moers. Wieler und Voshaar sollen die Behauptungen in einer Schaltkonferenz mit mehreren Ärzten am 14. Januar geäußert haben. (…) Wieler sagte außerdem laut Bild, man müsse über Moscheen an diese Menschen herangehen – daraus wird deutlich, dass hier Menschen mit muslimischem Glauben gemeint sind. Der RKI-Chef wird zitiert mit den Worten: „Auf den Intensivstationen liegen deutlich über 50 Prozent aus dieser Gruppe.“ (…) Das Gespräch, auf das sich der Bild-Artikel beziehe, habe in „einem persönlichen, inoffiziellen Austausch“ unter anderem mit Wieler stattgefunden. „Nach den Erinnerungen von Dr. Thomas Voshaar sind nicht alle Inhalte dieses Gesprächs korrekt wiedergegeben worden.“  Die Sprecherin schreibt weiter: „Insbesondere hat Dr. Thomas Voshaar keine systematischen Abfragen in Kliniken vorgenommen, die repräsentative Ergebnisse zur o. g. Korrelation liefern. Vielmehr hat er über einzelne Gespräche mit befreundeten Intensivmedizinern und Lungenfachärzten berichtet sowie über eigenen Beobachtungen.“ DIVI distanziert sich von den Aussagen
Auch die „Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin“ (DIVI) distanzierte sich über Twitter von den Aussagen in der Bild: Es gebe deutschlandweit „keine Datenquelle“ zur Covid-Pandemie, in der Merkmale wie „Sprachbarriere“ oder „Migrationshintergrund“ erfasst würde. Fazit Die Aussagen von Thomas Voshaar und Lothar Wieler wurden laut der Klinik in Moers und des RKI in einigen Teilen nicht korrekt wiedergegeben: Die Zahl der 90 beziehungsweise 50 Prozent Covid-Intensivpatienten mit „Migrationshintergrund“ oder mit muslimischen Glauben habe sich auf persönliche Erfahrungsberichte aus Gesprächen bezogen und spiegelten nicht die Situation in ganz Deutschland wieder. Eine „telefonische Umfrage“ oder „Erhebungen“ dazu, wie in der Bild behauptet, habe es nicht gegeben. Eine statistisch begründete Aussage zu Nationalitäten oder Religionen von Covid-Patienten in deutschen Krankenhäusern lässt sich laut des Bundesgesundheitsministeriums, des RKI und des DIVI nicht treffen – weil solche Daten nicht erfasst werden. Das geht auch aus einer aktuellen Recherche von NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung hervor.

via correctiv: FAKTENCHECK – Herkunft von Covid-Patienten wird in Deutschland nicht erfasst – „Bild“ reißt laut RKI und Bethanien-Klinik Aussagen aus dem Kontext