In den Sozialen Netzwerken wird derzeit ein bundesweiter Aufruf geteilt, Kinderschuhe vor Rathäusern aufzustellen. Ein Eltern-Protest unter vielen? Eine MDR-Recherche zeigt: Die Gruppen, die zur “Aktion Kinderschuhe” aufrufen, sind Teil der Querdenker-Szene. Kinderschuhe und Plakate, aufgereiht auf den Treppen vor Rathäusern. Es sind Aktionen, die nach spontanem Protest aussehen. Tatsächlich wird seit Tagen in Telegram-Kanälen und bei Facebook ein Aufruf geteilt: “Aktion Kinderschuhe”. Daran beteiligen sich auch Kanäle, die in Sachsen-Anhalt zu verorten sind. In dem Aufruf, der in diesen und weiteren Kanälen geteilt wird, heißt es, dass bundesweit am 1. April vor allen Rathäusern Kinderschuhe abgelegt werden sollen. Es ist die Rede von einem “Maßnahmen-Irrsinn”, der Kinder quäle und die Realität aller zerstöre. Ein Aufruf, der sich gegen die Corona-Maßnahmen an Schulen mit Schnelltests oder die Maskenpflicht richtet. (…) Doch nicht die Gruppen an sich sind problematisch, sondern das, was hier von einigen Mitgliedern geteilt und unkommentiert stehen gelassen wird. Denn neben Personen, die gegen eine Maskenpflicht für Kinder in Grundschulen sind oder sich gegen mögliche Privilegien für bereits geimpfte Menschen aussprechen, werden auch Inhalte geteilt, die desinformieren und die Existenz des Corona-Virus leugnen. In einem Telegram-Kanal, der sich ebenfalls “Aktion Kinderschuhe nennt, schreibt eine Nutzerin: “Es muss unbedingt beendet werden. Kein Kind darf gefoltert, gesundheitlich geschädigt, mit der Maske vergiftet werden.” Eine weitere Nutzerin erinnern die Fotos der Kinderschuhe vor dem Rathaus in Zwickau an das Gedicht “Kinderschuhe aus Lublin” von Johannes R. Becher, DDR-Dichter und SED-Politiker. Ein Gedicht über das Konzentrations- und Vernichtungslager Lublin der Nationalsozialisten in Polen, in dem auch Tausende Kinder ermordet wurden. Die Nutzerin schreibt dazu: “Kinder werden heute psychisch, körperlich, entmenscht…krank gemacht und kindgerechtes Leben wird getötet.” Das ist Relativierung des Holocausts.  Ein weiterer Nutzer verbreitet die Verschwörungserzählung, dass die bevorstehenden Wahlen zu Gunsten der Amtszeit von Angela Merkel verschoben oder eine Briefwahl angestrebt werde, um eine von der CDU und den Grünen geführte Regierung zu erhalten. Eine andere Nutzerin spricht darauf von Diktatur, Manipulation und einer totalitären Unterordnung aller Rechte. In einem anderen Telegram-Kanal findet sich ein Bild, das ein Sonnenrad, eine Variation des Hakenkreuzes, zeigt. Ein weiterer Post greift die antisemitische Verschwörungserzählung auf, eine neue Weltordnung solle mithilfe der Corona-Pandemie installiert werden. Entsprechende Screenshots aus diesen Kanälen liegen MDR SACHSEN-ANHALT vor.

via mdr: Das Netzwerk hinter der “Aktion Kinderschuhe” in Sachsen-Anhalt

siehe auch: Kritik an Kinderschuh-Protest wegen Holocaust-Symbolik. Eine Initiative in Brandenburg stellt Kinderschuhe auf, um damit gegen die Corona-Maßnahmen zu protestieren. Die jüdische Gemeinde Brandenburg ruft zum Widerstand auf: Die Aktion bediene sich der Symbolik des Holocaust. Bundesweit wird aktuell in sozialen Medien dazu aufgerufen, Kinderschuhe vor öffentlichen Einrichtungen wie Rathäuser und Landratsämter zu stellen. Am Dienstag platzierten etwa Protestierende in Schwedt (Landkreis Uckermark) auf den Treppenstufen der Uckermärkischen Bühnen Kinderschuhe. (…) Die jüdische Gemeinde in Brandenburg warnt jedoch vor dieser Aktion, hier werde Symbolik aus dem Holocaust missbraucht. Gemeinsam mit dem Bund der Antifaschisten Uckermark-Barnim möchte die Gemeinde gegen die Aktion vorgehen. Diana Sandler, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde im Barnim, sagte gegenüber dem rbb: “Wir protestieren auf das Schärfste gegen diese widerliche Aktion, die die hunderttausendfachen Morde an jüdischen Kindern symbolisch mit den Corona-bedingten Beschränkungen für unsere Kinder gleichsetzt und somit ein weiteres Mal in unzulässiger Art und Weise die Verbrechen des deutschen Hitler-Faschismus relativiert”. Sie sehe in der Aktion auch eine Vorlage insbesondere für antisemitische Parteien und Holocaustleugner, die diese Aktion “mit Inbrunst unterstützen”. Sandler verweist auf Facebook, wo dies nachzulesen sei.
“Genauso geschmacklos wie der Judenstern für Impfgegner”. Sandler betont, dass in den faschistischen Konzentrationslagern hunderttausende jüdische Kinder ermordet wurden. Gut erhaltene Kinderschuhe und Bekleidung wurden nach Deutschland für deutsche Kinder geschickt. Die SS machte ein Geschäft daraus. Nach der Befreiung der Konzentrationslager fand man Berge von Kinderschuhen, die nicht mehr verschickt werden konnten [www.ndr.de]. “Dieses Gleichnis ist genauso geschmacklos und antisemitisch wie der Judenstern für die Impfgegner”, so Sandler weiter. Das verordnete Tragen des Judensterns war ein Todesurteil für sechs Millionen Menschen.

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