SRF-Moderator Sandro Brotz ist Opfer von Hatespeech geworden. Ist es richtig, dass er nun vorübergehend den sozialen Medien fernbleibt? Social-Media-Expertin und Bestsellerautorin Ingrid Brodnig über Feindbilder, Fake News und verhärtete Fronten. Frau Brodnig*, wer viel Kritik auf den sozialen Medien einsteckt, zieht sich am besten zurück. Ein guter Plan? Manchmal ist es für den Betroffenen das Einfachste und Eheste, was noch hilft. Weil: Wenn es wirklich solche Kritik hagelt, dann sind das oft hunderte unangenehme Kommentare, die in der Masse den Leuten zu schaffen machen. Natürlich: Das klingt nach einem Ausweichen. Aber wenn ich merke, dass ich damit nicht zurande komme, ist es tatsächlich besser, ich lasse die Finger davon. Wenn Leute merken, dass sie die emotionale Distanz nicht mehr haben, zum Beispiel um eine passende Wortwahl zu finden, ist es besser, wenn sie eine Twitter-Pause machen. Genau so machte es Sandro Brotz. Nach einem umstrittenen und viel kritisierten Tweet verordnete sich «Arena»-Moderator Sandro Brotz selbst eine Twitter-Pause (persoenlich.com berichtete). Also war das richtig?
Wenn mal so eine Wutwelle losgerollt ist, dann gibt es kein Richtig mehr. Es ist dann nicht so, dass es den einen magischen Tweet oder die eine Reaktion gibt, womit die Thematik gegessen und alle wieder friedlich gestimmt wären. Ich glaube, da geht es nur noch um Schadensminimierung. Ein Weg kann sein, dass ich mich zurückhalte und für mich selbst eine Pause suche. Natürlich könnte ein anderer Weg sein, dass man bleibt und versucht, die eigene Sache zu erklären, auch um unterstützende Tweets aufzugreifen. Aber: In dem Moment, wo die Wut schon mal so gross ist, weil ein Thema so polarisiert, dann haben Sie ehrlich gesagt keine wirklich gute Handhabe mehr. Da ist die Zahnpasta schon aus der Tube, da ist die Wut quasi schon übergequollen.
Sprich: Wutwellen entwickeln eine Eigendynamik … Genau. Wenn Sie merken, dass Sie nicht vorankommen, weil es zu viele Reaktionen gibt, können Sie natürlich die Zähne zusammenbeissen und versuchen, weiter Ihren Kurs fortzufahren. Sie können überlegen: Will ich mich vielleicht für etwas entschuldigen und ein bisschen zurückrudern? Aber selbst dann gibt es Fälle, wo eine differenzierte Reaktion auf die eigenen Worte wenig bewirkt, grade wenn es um eine Frontenstellung geht. Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, konkret auf den Fall von Sandro Brotz: Da geht es ja nicht um ihn allein. Da geht es um sehr viele andere Themen.

via persoenlicj: Hass im Netz – «Wir stecken mitten in einer Wutwelle»