Bei der Anti-Corona-Demo in Stuttgart hat sich erneut die Wut der “Querdenker” gegen Journalisten entladen. Solche Attacken gab es von Anfang an, zeigt die Analyse von SWR-Redakteur Kai Laufen. Fußtritte und Ohrfeigen gegen Pressefotografen, niedergebrüllte und beschimpfte Reporter, ein Wurf gegen einen Korrespondenten in einer Liveschalte – die Bilanz der Aggressionen gegen Pressevertreter bei Demonstrationen von “Querdenkern” und anderen Gegnern der Corona-Politik ist erschreckend. Überraschend ist sie jedoch nicht: Wer an Verschwörungsmythen glaubt, hat offenbar zwangsläufig ein Problem mit kritisch-rationaler Berichterstattung. Zudem speist sich die Bewegung aus eingefleischten Gegnern des Rundfunkbeitrages und politischen Extremisten. “Operation der Lügenpresse” – zynische Parolen im Netz Am Karsamstag in Stuttgart musste ein ARD-Reporter eine Live-Sendung abbrechen, weil vom laut grölenden Publikum ein Gegenstand in Richtung seines Teams geworfen wird – im Netz wurde die Szene als angebliche “Operation der Lügenpresse” verdreht: “Nachdem es sonst nichts Schockierendes zu berichten gab, musste man selbst für eine “Schlagzeile” sorgen!”. Der Zynismus dieser Zeilen wirft ein Schlaglicht auf das zerrüttete Verhältnis zwischen den selbsterklärten Verteidigern des Grundgesetzes und der etablierten Medienlandschaft. Keimzelle dieser feindseligen Haltung sind Internetforen, in denen sich die Gegner des Rundfunkbeitrages austauschen: Wer “GEZ-Gebühren” ablehnt, so wird es in den Kommentaren deutlich, lehnt auch die Corona-Politik ab und sucht Bestätigung für diese Haltung bei alternativen Medien-Kanälen. Aber nicht nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird zum Feindbild: In Freiburg demonstrierten Ende März rund 100 Vertreter der “Querdenker”-Bewegung vor dem Verlagsgebäude der Badischen Zeitung “Für ehrlichen Journalismus und die Einhaltung des Pressekodex, gegen Angstpropaganda, Manipulation und arglistige Täuschung. Wir fordern Antworten!”.
“Querdenker” Michael Ballweg und sein Verhältnis zur Presse. Sogenannte Querdenker haben nie einen Zweifel an ihrem verqueren Verhältnis zur Presse aufkommen lassen: Schon vor einem Jahr, als Michael Ballweg die ersten Kundgebungen in Stuttgart anmeldete, fiel eine entwürdigende Anmeldeprozedur auf, der sich Medienvertreter nach seinen Vorstellungen unterziehen sollten: Um über die Demos berichten zu können, sollten sie sich schriftlich verpflichten, “wahrheitsgemäß, unparteiisch und vollständig zu berichten und – die Grundrechte gemäß Grundgesetz Artikel 5 zu wahren, insbesondere ‘Eine Zensur findet nicht statt’.” Derartige Vorbedingungen für die Berichterstattung über eine Demonstration darf ein Veranstalter nicht stellen. Nach Paragraf 6 des Versammlungsgesetzes dürfen Pressevertreter nicht ausgeschlossen werden. Aber schon damals fiel die Hilflosigkeit der Stadt Stuttgart auf. Denn Konsequenzen hatten diese illegalen Vorbedingungen für den Anmelder der Demo nicht. Die Pressestelle der Stadt stellte lediglich fest: “Die freie Berichterstattung über die Kundgebung ist vom Veranstalter zu achten. Darüber haben wir uns auch mit dem Anmelder ausgetauscht.” Deutscher Journalistenverband kritisiert Art der Akkreditierung für Journalisten Dieser Austausch scheint bei Michael Ballweg kein Umdenken bewirkt zu haben, denn bis heute verlangt er von Journalisten, Selbstverständlichkeiten zum Thema Pressekodex zu unterschrieben. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) kommentierte schon vor rund einem Jahr dem SWR gegenüber: “Das ist ein Versuch, die Presse- und Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Grundgesetz einzuschränken und steht im Widerspruch zum erklärten Ziel der Veranstaltung.” Man rate Journalisten “dringend” ab, eine solche Erklärung zu unterzeichnen. Denn diese sei auch inhaltlich “hoch problematisch”, befand der DJV: “Journalisten sollten mit der Unterschrift zugleich erklären, dass sie eine öffentliche Meinung “herstellen”. Das ist aber mitnichten der Fall. Journalisten beteiligen sich an der öffentlichen Meinungsbildung, stellen sie aber keinesfalls her.”

via swr: GEWALT BEI ANTI-CORONA-DEMOS – Wut auf Journalisten: “Querdenker” und ihr Problem mit der kritischen Presse