Seit Jahren knüpfen aserbaidschanische Praktikanten Netzwerke im Bundestag. Sie pflegen seltsame Kontakte zum Aliyev-Regime – und zu deutschen Politikern. Jeder, der schon einmal bei einer großen Institution Praktikant war, kennt das Gefühl der Unsichtbarkeit. Man ist mittendrin – und trotzdem fast anonym. Eine graue Maus im gigantischen Apparat. Was für viele eher ein Nachteil ist, kann auch ein Vorteil sein – wenn man zum Beispiel gar nicht auffallen will. Im Deutschen Bundestag, dem Zentrum der Macht, sind seit Jahren aserbaidschanische Praktikanten tätig, die mit dem Aliyev-Regime verbunden sind. Eingesetzt wurden sie bei Bundestagsabgeordneten, die teilweise selbst zweifelhafte Verbindungen in den Südkaukasus pflegen. Wir haben uns diese Verbindungen genauer angesehen, die Biografien der Praktikanten recherchiert und das System dahinter ausgeleuchtet. Ein System mit vielen Akteuren. Beteiligt sind: eine renommierte Berliner Uni, die Hunderttausende Euro aus Aserbaidschan bekommt, Abgeordnete fast aller Bundestags-Parteien und die Botschaften zweier Länder. Sie alle halfen mit, dass im Zentrum der deutschen Demokratie Praktikanten beschäftigt wurden, die enge Verbindungen zum Aliyev-Regime unterhalten. Einem autoritären Regime im Südkaukasus, das Oppositionelle misshandelt, wegsperrt und Journalistinnen und Journalisten verfolgt. Der aserbaidschanische Präsident regiert seit bald 20 Jahren, vergangenes Jahr führte er einen blutigen Krieg um Bergkarabach. (…) M. stieg nach seinem Praktikum rasch auf. Er gründet ein Alumniportal, in dem sich auch Ex-Praktis aus dem Bundestag organisieren. Er ist erst Praktikant, dann Generalsekretär des “Azerbaijan Student Network”, einem studentischen Lobby-Netzwerk. Seit 2016 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Uni. Wie wissenschaftlich M. dort arbeitet, ist schwer zu sagen. Der Lehrstuhl “Geschichte Aserbaidschans” wird aus Baku finanziert, ein akademisches Unikum, ein von einem anderen Staat gestifteter Lehrstuhl. Geleitet wird er von Eva-Maria Auch. Sie reiste Mitte April nach Aserbaidschan, um Ilham Aliyev zu treffen und einen neu eröffneten, martialischen Trophäen-Park zu besuchen, in dem Helme getöteter armenischer Soldaten ausgestellt sind. Der Park zeigt Wachsfiguren sterbender, armenischer Soldaten. Eine staatliche Verhöhnung des Kriegsgegners, nach gewonnener Schlacht um Bergkarabach. “Ich freue mich sehr, in Aserbaidschan zu sein”, sagte die HU-Professorin laut aserbaidschanischen Medien bei einem Besuch einer Universität. “Sie haben viele Jahre darauf gewartet, Ihr Land von der Besatzung zu befreien.” Eine deutsche Professorin, bezahlt aus Aserbaidschan, Sprachrohr des Diktators?  (…) Die überwiegende Mehrheit der IPS-Praktikanten, denen wir bei unserer Recherche begegnet sind, lebten schon vor ihrem Praktikum in Deutschland. Ihre Biografien machen eher den Eindruck von elitären Nachwuchskadern als von Nachwuchs-Demokraten aus der Zivilgesellschaft. Die Bundestagsverwaltung spielt dabei eine unrühmliche Rolle. Sie ist es, die bestimmt, wie viele Teilnehmer ein Land entsenden darf. Bei der Vorauswahl der Bewerber arbeiten die deutschen Auslandsvertretungen dann wieder mit der Bundestagsverwaltung zusammen. In der finalen Auswahlkommission kommt eines von drei Mitgliedern aus der Bundestagsverwaltung. Und es ist auch die Verwaltung, die anschließend alle Praktikanten an Abgeordnete verteilt. Doch darüber reden möchte man nicht. Wie viele Menschen sich insgesamt pro Jahr bewerben, das könne man nicht sagen, dazu werde keine Statistik erhoben. IPS ist, wie die Bundestagsverwaltung wirbt, tatsächlich ein “Praktikum im Herzen der Demokratie”. Nach unserer Recherche sind wir uns nicht mehr sicher, ob dieses Herz gut beschützt wird. 

via vice: Aserbaidschan-Affäre: Aliyevs geheime Praktikanten-Armee im Bundestag