Die US-Armee sammelte hochsensible Daten von Millionen Afghanen. Iris-Scans, Fingerabdrücke, Familienbeziehungen. Nun sind diese Daten den Taliban in die Hände gefallen. Christian Schiffer über Datenschutz – und wie das Versagen die Menschen in Lebensgefahr bringt. Ein Kommentar. In ihrer Sendung “Freedom Watch Afghanistan” zeigt das US-Armee-Fernsehen 2008 einen Imagetrailer. Es geht um ein neues Gerät, das entwickelt wurde. “To secure security in the region”. Das Gerät heißt HIIDE, ein graue Kasten, der aussieht wie eine Mischung aus einer sehr klobigen Spielekonsole und einer Fotokamera. Und tatsächlich kann man mit dem Ding Fotos machen, aber auch sehr viel mehr. Das Handheld Interagency Identity Detection Equipment-System – kurz HIIDE – ist ein Datensammelgerät. Es speichert Fingerabdrücke, macht Fotos, scannt die Iris. Die Geräte werden beispielsweise an Gebäudeeingängen verwendet oder vor Jobgesprächen, es wird gescannt gescannt und gescannt als gäbe es kein Morgen mehr. 80 Prozent der Menschen in Afghanistan sollen so irgendwann mit ihren biometrischen Daten in den Datenbanken der US-Armee landen, wie viele es letztlich geworden sind, weiß man nicht. Das Ziel aber ist klar: Taliban-Angehörige enttarnen, die sich als Übersetzerinnen oder Fahrer einschleichen wollen. An zwei Dinge denkt in all den Jahren niemand: Erstens an den Datenschutz generell. Und zweitens: Dass diese Daten irgendwann einmal die falschen Hände gelangen könnten. Genau das ist jetzt offenbar passiert
Die Taliban haben nicht nur allerlei Waffen erbeutet, sonst auch HIIDE-Geräte – und damit Daten. Die Islamisten sitzen nun auf einem Schatz, in dem sich auch Informationen darüber verbergen, wer den Amis geholfen hat und wer als sogenannte “Ortskraft” gearbeitet hat. Afghanische Frauen auf der Flucht vor der Taliban. Auch über sie gibt es biometrische Daten. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat Leitfäden auf Englisch, Paschtu und Dari erstellt, in denen erklärt wird, wie man der biometrischen Erfassung entgeht, etwa durch Schminke oder Kontaktlinsen. Ob das aber so funktioniert, ist nach Ansicht vieler Expertinnen und Experten aber eher zweifelhaft. Human Rights Watch bietet auch eine Anleitung an, um digitale Fußspuren im Netz zu beseitigen, etwa in den sozialen Netzwerken oder den Verlauf in Suchmaschinen. Denn auch das sind Daten, die in einem von den Taliban regierten Afghanistan Menschen in Gefahr bringen können. Tausende Afghanen, die den Allierten geholfen hatten, müssen jetzt untertauchen. Das Beispiel Afghanistan zeigt, dass das Erheben von Daten immer eine Gefahr sein kann, weil sich immer auch die äußeren Umstände ändern können. Heute sind das vermeintlich harmlose Daten, mit denen hoffentlich verantwortlich umgegangen wird, aber morgen schon können sie dem Unterdrückungsapparat einer Diktatur behilflich sein. In der Weimarer Republik sammelte die Polizei die Daten von Homosexuellen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten fällt diese sogenannte „Rosa Liste“ der Gestapo in die Hände und erleichtert die Verfolgung von Schwulen und Lesben. (…) Das Recht auf Datenschutz ist ein Menschenrecht, festgeschrieben in Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Es wird Zeit dieses Recht ernst zu nehmen, denn am Ende sind es auch Daten, die über Leben und Tod entscheiden

via br radio zündfunk: failoftheweek – Wie die Taliban biometrische Daten von Millionen Afghanen erbeuten

siehe auch: Taliban reportedly seize biometrics devices used by US military. Officials worry the devices could be used to retaliate against Afghans who assisted the US military during the 20-year war. The Taliban have reportedly seized biometrics devices used by the US military that could help identify Afghan nationals who worked for the US government and aided coalition forces, raising concerns the Taliban could use the information to retaliate in the wake of the collapse of the US-backed government. The devices, known as HIIDE, for Handheld Interagency Identity Detection Equipment, were seized last week as the Taliban went on an offensive march to overtake Kabul, Afghanistan’s capital, sources tell The Intercept; THE TALIBAN HAVE SEIZED U.S. MILITARY BIOMETRICS DEVICES. Biometric collection and identification devices were seized last week during the Taliban’s offensive. THE TALIBAN HAVE seized U.S. military biometrics devices that could aid in the identification of Afghans who assisted coalition forces, current and former military officials have told The Intercept. The devices, known as HIIDE, for Handheld Interagency Identity Detection Equipment, were seized last week during the Taliban’s offensive, according to a Joint Special Operations Command official and three former U.S. military personnel, all of whom worried that sensitive data they contain could be used by the Taliban. HIIDE devices contain identifying biometric data such as iris scans and fingerprints, as well as biographical information, and are used to access large centralized databases. It’s unclear how much of the U.S. military’s biometric database on the Afghan population has been compromised.
While billed by the U.S. military as a means of tracking terrorists and other insurgents, biometric data on Afghans who assisted the U.S. was also widely collected and used in identification cards, sources said. “We processed thousands of locals a day, had to ID, sweep for suicide vests, weapons, intel gathering, etc.” a U.S. military contractor explained. “[HIIDE] was used as a biometric ID tool to help ID locals working for the coalition.” A spokesperson for the Defense Intelligence Agency referred questions to the Office of the Secretary of Defense, which did not respond to a request for comment. An Army Special Operations veteran said it’s possible that the Taliban may need additional tools to process the HIIDE data but expressed concerns that Pakistan would assist with this. “The Taliban doesn’t have the gear to use the data but the ISI do,” the former Special Operations official said, referring to Pakistan’s spy agency, Inter-Services Intelligence. The ISI has been known to work closely with the Taliban.

screenshot presentation; https://www.nist.gov/system/files/documents/2021/03/23/ansi-nist_archived_vermury-bat-hiide.pdf