Klaus-Michael Kühne gehört zu den reichsten Menschen auf der Welt – geschätztes Privatvermögen: 14,2 Milliarden US-Dollar. Immerhin: Einiges von seinem Reichtum gibt er ab. Abgesehen von den Unsummen, die er in den HSV investierte, hat er etliche Millionen Euro zur Elbphilharmonie beigesteuert, ist Hauptförderer des Harbour-Front-Literaturfestivals, unterhält in Hamburg mit der Kühne Logistics University eine eigene Hochschule und ist außerdem noch Hauptsponsor der Salzburger Festspiele. Kühne gefällt sich in der Rolle des Wohltäters, und sein Lebensmotto scheint zu lauten: „Tue Gutes und rede darüber.“ Doch bei einem Thema, da wird der sonst so wortgewaltige 84-Jährige ausgesprochen einsilbig: Wenn es um die Rolle geht, die Vater Alfred Kühne (1895-1981) während der NS-Zeit spielte. Dass das Unternehmen – zwischen 1937 und 1945 mehrfach ausgezeichnet als „nationalsozialistischer Musterbetrieb“ – dazu beharrlich schweigt, ruft Kritiker auf den Plan. So wie den Historiker Prof. Frank Bajohr, wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München. „Anders als viele Unternehmen, die in den letzten Jahrzehnten Kommissionen eingesetzt und Historiker mit der Aufarbeitung ihrer Firmengeschichte beauftragt haben“, so Bajohr zur MOPO, „unternimmt Kühne + Nagel keinerlei Aufklärungsversuche in eigener Sache und beschreitet damit einen negativen Sonderweg.“
Im Nazi-Auftrag: Kühne+Nagel räumte Wohnungen deportierter Juden leer
Kühne+Nagel heute: eins der bedeutendsten Logistikunternehmen mit weltweit 78.000 Mitarbeitern und 22 Milliarden Euro Umsatz. Ein Global Player – mit dunkelbrauner Vergangenheit. Denn unter anderem dank der sogenannten „M-Aktion“ (M = Möbel), also der Plünderung von Wohnungen deportierter Juden, verdienten Alfred Kühne und sein Bruder Werner (1898-1951) während der Nazi-Herrschaft ein Vermögen. Und so funktionierte dieses schmutzige Geschäft: Wann immer in Paris oder in Amsterdam oder in Brüssel Juden von der Gestapo verhaftet und ins KZ gesteckt wurden, tauchten Möbelpacker von Kühne + Nagel auf und nahmen aus den Wohnungen alles mit, was brauchbar war: Betten, Schränke, Stühle, Sessel, Tische. Die geraubten Güter wurden ins Reich transportiert und dort bei sogenannten „Judenauktionen“ günstig an Ausgebombte verkauft. Bis August 1944 wurden auf diese Weise in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Luxemburg die Einrichtungen von mehr als 70.000 „verlassenen“ jüdischen Wohnungen abtransportiert und zu Geld gemacht. (…) Historiker Frank Bajohr attestiert den Kühne-Brüdern, die beide am 1. Mai 1933 in die NSDAP eingetreten waren, eine „relative Nähe zum Massenmord“. Den Besitz „völlig wehrlos gemachter Menschen zu transportieren“ sei „eine Form der Leichenfledderei“. Historiker: „Relative Nähe zum Massenmord“
Der Historiker Wolfgang Dreßen sagt, dass zwar auch andere Logistikunternehmen an der „M-Aktion“ beteiligt gewesen seien. Aber die Firma Kühne+Nagel habe sich so erfolgreich gegen alle Mitbewerber durchgesetzt, dass sie am Ende quasi das Monopol gehabt habe. „Die Firma ist somit mitverantwortlich für den Tod von Leuten, sie hat damit Geld verdient“, so Dreßen. Nach dem Krieg bemühen sich die Kühne-Brüder, das alles unter den Teppich zu kehren. Auch als Alfred Kühnes Sohn Klaus-Michael 1958 ins Unternehmen eintrat, änderte sich an dieser Haltung nichts. Stellten Journalisten Fragen nach der NS-Vergangenheit, wurden sie entweder gar nicht oder ausweichend beantwortet. So wurde es bis 2015 gehandhabt, dem Jahr des 125-jährigen Firmenjubiläums.

via mopo: Kühne+Nagel: Papas schmutzige Geschäfte