Bayerns Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze bekräftigt ihre Kritik am Begriff „Freedom Day“: Dadurch werde das „Querdenker“-Narrativ einer vermeintlichen Corona-Diktatur übernommen. Und sie fordert einen neuen Rechtsrahmen für Maßnahmen nach Auslaufen der epidemischen Lage. WELT: Frau Schulze, Sie haben den Begriff „Freedom Day“ als „irreführend“ kritisiert, da dieser den Eindruck entstehen lasse, „wir wären in den vergangenen anderthalb Jahren nicht frei gewesen“. Das sei „doch Quatsch“. Wie meinen Sie das? Katharina Schulze: Der Begriff „Freedom Day“ suggeriert, dass wir seit eineinhalb Jahren unfrei leben würden. Das verhöhnt doch alle, die in autoritären oder totalitären Staaten leben. Historisch kommt der Begriff aus Südafrika und steht dort für das Ende von Kolonialismus und rassenideologischer Apartheid und für den demokratischen Aufbruch. Mit dem Begriff wird das Narrativ der „Querdenker“ übernommen, dass wir in einer Corona-Diktatur leben würden. Ja, es wurden Grundrechte eingeschränkt – zum Schutz anderer Grundrechte wie dem der Unversehrtheit des Lebens. (…) WELT: Wer seine sterbende Mutter im Pflegeheim nicht besuchen, wer ab dem späten Abend seine Wohnung nicht verlassen durfte, wer nicht bei der Geburt seines Kindes dabei sein oder dieses weder auf den Spielplatz noch in die Schule schicken konnte, könnte von Ihrer Einordnung befremdet sein, man sei die ganze Zeit „frei“ gewesen. Verstehen Sie das? Schulze: Ja, das verstehe ich. Diese Entscheidungen waren oft herzzerreißend und grausam für die Betroffenen und das tut mit Blick auf die Einzelschicksale auch richtig weh. Ich verstehe die Irritation, wenn man den Satz meines Tweets für sich allein betrachtet.
In dem dazugehörigen Interview habe ich darauf verwiesen, was ich konkret damit meine: Während der gesamten Pandemie haben die Parlamente getagt, Gerichte entschieden, es gab eine handlungsfähige Exekutive. Bei den Maßnahmen fand eine schwierige demokratische Abwägung statt, bei der es darum ging, Menschen vor schwerer Krankheit oder dem Tod zu schützen. Vorübergehende Freiheitseinschränkungen wurden als notwendig angesehen, weil die persönliche Freiheit dort endet, wo sie andere Menschen gefährdet oder in ihrer Freiheit einschränkt. Das hatte persönliche Einschränkungen zur Folge, die für alle schwer und für manche überwältigend waren. Das geschah nicht willkürlich, sondern im Sinne des Gemeinwohls. (…) Ein Auslaufen der epidemischen Lage darf nicht dazu führen, dass alle Schutzmaßnahmen wegfallen. Es braucht einen rechtlichen Regelungsrahmen vom Bund, an dem sich die Länder orientieren können. Es ist ein Zeichen der Solidarität, nicht nur auf Eigenverantwortung zu setzen und alle Schutzmaßnahmen fallen zu lassen. Kinder haben viele Monate lang solidarisch mit den Erwachsenen auf viel verzichtet. Nun müssen wir unsere Verantwortung gegenüber den Kindern wahrnehmen, die sich noch nicht impfen lassen können. Ich finde es unsolidarisch, wenn Erwachsene, die sich impfen lassen können, das nicht tun. Die Impfquote ist noch nicht hoch genug, um auf 2G- und 3G-Regeln sowie Maskentragen und Abstandhalten verzichten zu können.

via welt: „Begriff ,Freedom Day‘ verhöhnt alle, die in totalitären Staaten leben“

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