Der Föderalismus und die relativ starke Verbreitung der Anthroposophie gehörten mit zu den Gründen, weshalb es gerade im deutschsprachigen Raum so viele Impfverweigerer gebe, sagte der Baseler Soziologe Oliver Nachtwey im Dlf. Diese Mischung sei einmalig in Europa. Hinzu kämen in Deutschland auch kulturelle Elemente, zum Beispiel die Anthroposophie gerade in ehemaligen Alternativ-Milieus, wo man sehr stark auf Ganzheitlichkeit, Selbstverwirklichung geachtet habe. Das sei in Deutschland, der Schweiz, aber auch in Österreich „ein ganz wichtiger Faktor“, sagte Nachtwey. Die rechte Politisierung verstärkte das noch. „Da kommen quasi linke kulturelle Merkmale mit rechter Politisierung zusammen und das macht diese extrem toxische Mischung der Impfverweigerung gerade aus.“ „Strukturell verankerte Solidaritätsbeziehungen“ in Südeuropa. Im Gegensatz dazu sei die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen und des Impfens in Italien, aber auch Frankreich, Portugal und Spanien deutlich höher. Das habe auch etwas damit zu tun, dass es dort in der Gesellschaft strukturell verankerte Solidaritätsbeziehungen gebe, die sich von den deutschen unterscheiden. „Zum Beispiel leben die Familien auf viel engerem Raum und auch über mehrere Generationen miteinander zusammen. (…) Eine „sachliche, wissenschaftlich evidenzbasierte Aufklärung“ sei bei Maßnahmenkritikern „relativ wirkungslos“, sagte Nachtwey. „Die sind sehr, sehr häufig in einem bestimmten Tunnel drin und nehmen kognitiv eigentlich nur die Informationen wahr, die zu ihrem Argument passen.“

via dlf: Impfverweigerer Soziologe Nachtwey: Mit sachlicher Aufklärung sind viele nicht zu erreichen