Was hat das Wahlverhalten mit der Ausbreitung des Coronavirus zu tun? Forscher aus Jena, München und Bielefeld sehen einen Zusammenhang. Ihre Untersuchung gilt für ganz Deutschland. In der vergangenen Woche meldete die Deutsche Presse-Agentur, dass die Ortschaft Dorfchemnitz in Mittelsachsen die höchste Corona-Wocheninzidenz in allen sächsischen Landkreisen erreicht hat. Bei 1.516 Einwohnern hatte es 43 neue Fälle gegeben. Diese Information allein hätte für eine Meldung durchaus ausgereicht, doch die Redakteure ergänzten: “Der Ort geriet bundesweit in die Schlagzeilen, weil die AfD hier bei der Bundestagswahl Rekordergebnisse einfuhr: 52,3 Prozent bei den Erststimmen.” Gibt es einen Zusammenhang zwischen Wahlergebnissen und der Ausbreitung von Corona? Die dpa-Redakteure konnten darüber nur spekulieren. Eine Studie aus Jena, die MDR THÜRINGEN sowie dem “Spiegel” vorliegt, beantwortet diese Frage jetzt mit Ja. Befund für beide Infektionswellen 2020 In der Untersuchung des Jenaer “Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft” (IDZ), an der auch Wissenschaftler der Universität Bielefeld sowie des Münchner Helmholtz-Zentrums mitgewirkt haben, heißt es: “In Regionen, in denen die AfD hohe Wahlerfolge in der Bundestagswahl 2017 verzeichnen konnte, zeigten sich in beiden Infektionswellen im Jahr 2020 stärkere Infektionsanstiege als in Kreisen mit verhältnismäßig niedrigen AfD-Zweistimmenanteilen.” Laut Studienautor Christoph Richter unterstreichen die Befunde “die zentrale Bedeutung des politischen Vertrauens für den demokratischen Zusammenhalt, der insbesondere in Krisenzeiten stark herausgefordert” werde. Für ihre Studie analysierten Richter und sein Team die zwei Infektionswellen des Jahres 2020 für die 401 deutschen Kreise und kreisfreien Städte. Die Untersuchung ist also für ganz Deutschland gültig. “Der Zusammenhang zwischen AfD-Wahl und Inzidenzanstiegen zeigt sich systematisch in den Anstiegsphasen beider Wellen, sowohl in ost-, wie auch in den westdeutschen Kreisen”, schreiben die Forscher. Zudem haben die Wissenschaftler untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Corona-Ausbreitung und den Stimmen gibt, die Wähler den anderen Parteien im Bundestag gegeben haben. Dazu heißt es: “Ähnliche Zusammenhänge wie zwischen AfD-Wahlergebnissen und Inzidenzen in den Regionen lassen sich für keine der anderen im Bundestag vertretenen Parteien (CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne, Linke) finden.”

via mdr: Studie: Höhere Corona-Fallzahlen in Regionen mit starkem AfD-Zuspruch

siehe auch: Politische Raumkultur als Verstärker der Corona-Pandemie? Einflussfaktoren auf die regionale Inzidenzentwicklung in Deutschland in der ersten und zweiten Pandemiewelle 2020. Erweiterte Fassung. In diesem Beitrag untersuchen wir, welchen spezifischen Einfluss Faktoren der politischen Raumkultur auf die regionalen Unterschiede in den Corona-Inzidenzverläufen in den beiden Expansionsphasen der Pandemie im Frühjahr 2020 sowie im Herbst/Winter 2020 hatten. Ausgehend von der Annahme, dass in Regionen mit hohem Zuspruch zu Parteien der radikalen Rechten eine höhere Skepsis bzw. Distanz zu demokratischen Institutionen und damit einhergehend eine geringere Akzeptanz der Schutzmaßnahmen vorherrscht, prüfen wir, inwiefern sich diese Unterschiede in der politischen Raumkultur auf die Inzidenzentwicklungen auswirken. Wir nutzen neben Daten zum Infektionsgeschehen die Wahlergebnisse und Nichtwählendenanteile vergangener Bundestagswahlen und zahlreiche soziostrukturelle Variablen für die 401 Kreise und kreisfreien Städte. Zur Modellierung der dynamischen An- und Abstiegsphasen greifen wir auf latente Wachstumsmodelle zurück. Die Ergebnisse zeigen hohe signifikante Effekte der AfD Zweitstimmenanteile auf die Anstiege der Infektionszahlen in beiden Wellen – sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland. Für andere im Bundestag vertretene Parteien lassen sich keine systematischen Effekte auf die Anstiegsphase beider Wellen finden. Dazu kann gezeigt werden, dass auch die Zweitstimmenanteile rechtsextremer Kleinparteien und die Nichtwählendenanteile zu den Bundestagswahlen 2005 und 2013 positive Effekte auf die Inzidenzentwicklungen haben; das weist auf eine hohe Persistenz politischer und demokratischer Distanz in Teilen dieser Regionen hin.

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