Samstag zogen 40.000 Demonstranten durch die Wiener Innenstadt, um gegen Impfung und Lockdown zu protestieren. Die Regierung wurde zum Feindbild erklärt. Die Frau ist empört. Absolut schrecklich sei das, sagt sie: Immer mehr Jugendliche würden an Impfschäden sterben. Ihre Freundin nickt überschwänglich und entgegnet: Nichts anderes als ein Genozid gehe hier von statten, und fast niemand bemerke es. Dann stimmen sie beide ein in den Chor der Masse und rufen: “Widerstand! Widerstand!” Gespräche wie dieses sind bei der Demonstration gegen Coronamaßnahmen am Samstag in der Wiener Innenstadt allgegenwärtig. Es ist eine Demo, die unter dem Motto “Für die Freiheit” beworben wurde und zu der die FPÖ gemeinsam mit Gruppen aus der österreichischen Querdenker-Szene aufgerufen hatte. Der Tenor vor Ort: Gegen Lockdown, gegen die Impfung. 40.000 Personen sind dem Aufruf laut Polizei gefolgt. Bereits am frühen Nachmittag sammeln sich Tausende am und rund um den Heldenplatz. Mehrere Märsche werden von unterschiedlichen Treffpunkten nahe der Innenstadt zum Ring geleitet. Auch die neue Impfgegner-Partei MFG beteiligt sich am Protest, viele sind mit Fahne oder Plakat als Parteianhänger erkennbar. (…) Als sich schließlich nach und nach ein Demozug auf dem Ring formiert, postieren sich Aktivisten der Gruppe “Die Österreicher”, die Nachfolgeorganisation der rechtsextremen Identitären, an der Spitze. Die Symbole beider Gruppierungen sind hierzulande verboten. Die Demonstration setzt sich in Gang, auf den Fronttransparenten ist “Kontrolliert die Grenze, nicht euer Volk” sowie “Großer Austausch, Great reset – Stoppt den Globalistendreck” zu lesen. Die Menge skandiert abwechselnd “Widerstand” und “Wir sind das Volk”, später auch “Antifa jagen!” Es werden Zettel mit Fotos von Journalisten verteilt, auf denen sie als “Denunzianten” bezeichnet werden.
Ab dann wird die Lage unübersichtlich. Gegen 16 Uhr erreicht die Spitze des Demonstrationszuges wieder den Heldenplatz, wo für den Abend eine Abschlusskundgebung angemeldet ist. Doch ein Demozug setzt sich spontan in Richtung Mariahilferstraße in Bewegung, erneut angeführt von Hooligans und Rechtsextremen. Touristen, Ladenbesitzer und deren Kundschaft ziehen sich sichtlich überrascht von der plötzlich auftauchenden Masse an Demonstranten in die Geschäfte zurück und schließen die Türen. Polizeipräsenz ist zu diesem Zeitpunkt kaum mehr wahrzunehmen. Es beginnt ein Katz und Maus-Spiel. Verschiedene Demonstrationszüge ziehen in unterschiedliche Richtungen – je nachdem wo es der Autoverkehr gerade zulässt. Teilweise sperren sich die Teilnehmer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten mehrere hundert oder wenige tausend, sogar selbstständig die Straße ab und greifen in fließenden Verkehr ein. Einzelne Personen dirigieren Märsche durch die Innenstadt. (…) Der Journalist Martin Tschiderer von der Wiener Zeitung berichtet allerdings davon, dass eine Frau mit afrikanischen Wurzeln und eine Jugendliche mit Kopftuch beim Volkstheater von Neonazis eingekreist worden seien, diese den Hitlergruß gezeigt hätten und sie bespuckten. Bini Guttmann, Mitglied des Exekutivrats des Jüdischen Weltkongresses (WJC), berichtet davon, dass jüdische Personen am Rande der Demo mit den Worten “Wo sind die Gaskammern wenn man sie braucht” im zweiten Bezirk bedroht worden seien. Endgültige Zahlen zu den erstatteten Anzeigen und Festnahmen liegen noch nicht vor. Am Nachmittag hieß es aus Polizeikreisen, dass es zu zehn Festnahmen und zumindest zehn Anzeigen wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz kam, vor allem im Zusammenhang mit gelben Aufnähern in Sternform, auf denen “Ungeimpft” steht, aber auch Plakate wie “so begann 1938” und “Schallenberg = Mengele”. Einem Beamten wurde zudem versucht, die Schusswaffe zu entreißen. Sowohl der Identitären-Chef Martin Sellner als auch der verurteilte Neonazi Gottfried Küssel waren zugegen.

via standard: Zehntausende bei Demo gegen Corona-Maßnahmen: Rechtsextreme als Anführer

siehe auch: „Altbekannte Neonazis“: Rechtsextreme Szene kapert Corona-Demo in Wien – auch Deutsche unter den Teilnehmern. Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat am Sonntag die Radikalisierung der Corona-Demos scharf kritisiert. Die Teilnehmer hätten sich „deutlich radikalisiert“ und die Demonstration sei von der rechtsextremen Szene gekapert worden. Fast niemand habe sich an die Maskenpflicht gehalten. Einen Tag nach der Großdemonstration in Wien gegen die Corona-Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung hat Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) die Radikalisierung der Demo kritisiert. Die rechtsextreme Szene habe die Demonstration gekapert. Es seien „altbekannte Neonazis“ und „Vertreter der neuen rechtsextremen Szene“ unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gewesen. Es habe auch Morddrohungen gegen Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) gegeben. Unter den Demoteilnehmern soll es auch Deutsche gegeben haben, die sich mit einem Banner als Polizisten ausgewiesen haben sollen. Bei der Demonstration in Wien habe es auch Vergleiche mit den Gräueltaten in der Nazi-Zeit gegeben. Nehammer sagte: „Das ist inakzeptabel.“ Unter anderem soll Bundeskanzler Schallenberg mit dem KZ-Arzt Josef Mengele verglichen worden seien. Wiens Polizeivizepräsident Franz Eigner kritisierte, es habe „massive Gewaltaufrufe“ gegeben. „Der Großteil hat sich nicht an die Maskenpflicht gehalten“, so Eigner weiter. Die Polizei habe Anzeigen geschrieben und die Menschen auf die Maskenpflicht hingewiesen. Doch als die Stimmung zu kippen drohte, habe sich die Polizei zurückziehen müssen. Insgesamt habe es 400 Anzeigen gegeben, darunter zwölf wegen Verharmlosung des Holocausts.; »Körperöffnungen möglichst dicht halten« – 35.000 demonstrieren mit Nazis und Querdenkern in Wien. In Österreich haben zahlreiche Menschen gegen die neuen Coronamaßnahmen der Regierung protestiert. Impfgegner hatten zuvor gewarnt, der Staat würde aus Hubschraubern und Kanaldeckeln Geheimimpfungen verabreichen. (…) Nach Informationen der österreichischen Nachrichtenagentur APA mischten sich auch bekannte Neonazis und weitere Personen aus dem rechtsextremen Umfeld unter die Teilnehmer der Proteste. (…) Vor und während der Kundgebungen hatten Impfgegner in sozialen Netzwerken vor »staatlich organisierten« und »geheimen« Impfaktionen gewarnt, wie etwa die österreichische Zeitung »Der Standard« berichtete. So verbreitete sich etwa eine Nachricht, in der vor »Sprühimpfungen« aus Hubschraubern gewarnt wurde. So solle »flüssiges Pfizer« über die Demonstranten verteilt werden. Auch vor einer Gulliaktion sollten sich die Protestteilnehmer in Acht nehmen: In einer Nachricht hieß es, die Stadt Wien verstecke Mitarbeiter unter Kanaldeckeln, die versuchen sollten, Menschen in die Waden zu impfen. Viele Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke reagierten mit Spott auf diese Verschwörungsmythen.

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