Nirgendwo sind die Corona-Inzidenzen zurzeit höher als in Sachsen. Die Krankenhäuser sind voll, Pfleger und Ärzte am Ende ihrer Kräfte. Doch Teile von Politik und Bevölkerung haben andere Prioritäten. Eine Reportage aus Bautzen. Das Pumpen der Sauerstoffgeräte klingt bis auf den Flur der Bautzener Intensivstation. Mechanisch, kalt, lebensrettend. In einem unbelegten Zimmer steht Intensivpflegerin Elli im Halbdunkel und desinfiziert Arbeitsmaterial. Sie trägt Schutzbrille, Maske, Handschuhe, Kittel. Nur ihre Augenpartie ist zu sehen. Die drei Betten sind gerade frei geworden, die Covid-Patienten darin wurden nach Dresden verlegt. Drei neue Patienten, die die Betten benötigen, wurden bereits aufgenommen. (…) Die Inzidenz im Landkreis liegt laut Landratsamt bei 1.700, kein Intensivbett in der Bautzener Klinik steht lange frei. In keinem Bundesland haben sich bisher so wenige Menschen impfen lassen wie in Sachsen – und kein Bundesland verzeichnet derzeit mehr Neuinfektionen. Die Folgen für die Krankenhäuser sind gravierend. 278 Patienten liegen insgesamt im Bautzener Krankenhaus*. 41 davon sind Covid-Patienten auf der Normalstation – 60 Prozent sind ungeimpft. Covid-Patienten belegen außerdem neun der 20 Intensivbetten. Bis auf einen sind alle ungeimpft. (…) Nur neun Covid-Intensivpatienten! Das muss ein Krankenhaus doch schaffen! Solche Sätze hört Manja Hollmann immer wieder. Sie sitzt zwei Stockwerke über der Intensivstation im Bautzener Krankenhaus, in einem hellgelb gestrichenen Büro. Die 43-Jährige ist Pflegedirektorin im Klinikum und sowohl für das Wohl der Patienten als auch für das der Pflegenden zuständig. (…) Jeden Tag erhält Hollmann die neuen Statistiken zur Belegung, muss neue Dienstpläne erstellen, umschichten und umorganisieren. Zwei Stationen – die Urologie und eine chirurgische Station – hat das Bautzener Klinikum gerade schließen müssen, um die Covid-Stationen zu betreiben. Patienten und Angestellte wurden umverteilt. Von den eigentlich sechs Operationssälen können derzeit nur drei benutzt werden. “Die Menschen müssen verstehen: Ein Corona-Patient ist in der Betreuung sehr viel aufwendiger als andere Patienten”, sagt Hollmann.
Schon die Covid-Patienten auf Normalstation könnten sich oft nicht mal mehr die Zähne selbst putzen. Oft verschlechtere sich ihr Zustand von einem auf den anderen Tag drastisch. “Viele, auch Junge, japsen nach kurzer Zeit nach Luft, müssen beatmet werden”, sagt sie und fügt hinzu: “Das ist Wahnsinn.” Auf der Intensivstation wächst der Mehraufwand für die Pfleger weiter: Mindestens fünf Angestellte sind nötig, um die Schwerkranken täglich von der Rücken- in die Bauchlage und wieder zurück zu drehen. Hinzu kommt das Bedienen der Beatmungsgeräte, ein hochspezialisierter Job, für den Pfleger eine zweijährige Ausbildung durchlaufen. (…) “Das ist die längste Infektionskette in Sachsen!”, ruft ein Sänger begeistert von der Bühne herab, während er auf der Gitarre klimpert. Vor ihm schlängelt sich eine Polonaise von Menschen ohne Masken, ohne Abstand, die Hände auf die Schultern gelegt, fröhlich singend und lachend. Es ist ein Protest gegen eine 2G-Veranstaltung vor dem Bautzener Theater Mitte November. Das Video der Szene teilen die “Freien Sachsen” später auf Telegram. Die “Freien Sachsen” werden vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremistische Gruppe beobachtet. Dem Video geben sie den Titel: “Ungeimpft und frei: Volksfeststimmung in Bautzen!” und schreiben dazu: “Ganz stark, so geht kreativer Widerstand!”

via t-online: Reportage aus Sachsen – Die einen sterben, die anderen tanzen Polonaise