Am Abend des 19. Dezember 1980 werden der jüdische Verleger Shlomo Lewin und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke in ihrer gemeinsamen Wohnung in Erlangen ermordet. Die sichergestellten Spuren legen nahe, dass der Täter sich über den hinter dem Haus befindlichen Garten einem Fenster zum Wohnzimmer näherte, dort die beiden späteren Opfer erkannte, sich dann zum Eingang begab und klingelte. Lewin öffnete die Tür und ging von mehreren Schüssen getroffen zu Boden, kurz danach trafen weitere Schüsse seine Lebensgefährtin Frida Poeschke. Neben den Projektilen blieben am Tatort eine Sonnenbrille und einige verbogene Metallteile zurück. Fast vier Jahre später begann der Prozess. Angeklagt wurden Karl-Heinz Hoffmann und dessen Lebensgefährtin Franziska Birkmann. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wurde ein nach dem Ende des Faschismus verübter antisemitischer Mord vor Gericht verhandelt. Als der Prozess nach 186 Verhandlungstagen endete, konnte kein Täter für die Morde verurteilt werden. Hoffmann und Birkmann wurden in den Anklagepunkten, die die Morde betrafen, freigesprochen und der angeblich alleine und auf eigene Initiative handelnde Mörder Uwe Behrendt galt als tot. Eine Reihe von Umständen stellt die Einzeltäter-These jedoch infrage. (…) Lewin trat 1977 als prominenter Redner bei Protesten gegen eine von Hoffmann mitorganisierte Konferenz von Holocaustleugnern auf. Im selben Jahr wurde Lewin in einem Artikel der italienischen Zeitschrift OGGI über den deutschen Neonazismus im Allgemeinen und Karl-Heinz Hoffmann im Besonderen zitiert.11 Hoffmann war dieser Artikel wohlbekannt: Als nach dem Oktoberfestattentat am 27. September 1980 Hoffmanns Wohnsitz durchsucht wurde, fanden die Beamten eben diese Zeitschrift auf dem Nachttisch. Und auch in Hoffmanns eigener Wehrsportgruppen-Zeitschrift, dem „Kommando“, schrieb er im März 1979 über und gegen Lewin (Hoffmann 1979). Der deutlichste Hinweis jedoch war eine am Tatort zurückgelassene Brille der Firma Schubert, die statt der Gläser mit Sehstärke schlichte Sonnenbrillengläser enthielt. Solche Brillen wurden in der Regel nur als Geschenke ausgegeben – zudem hatte die Firma ihren Sitz im Nachbarhaus der vormaligen Wohnanschrift von Hoffmann und Birkmann. Letztere hatte außerdem grafische Arbeiten für die Firma erledigt. Doch Birkmann wurde erst im Februar 1981 vernommen und erst im Mai wurde Schloss Ermreuth durchsucht, wo sie gemeinsam mit Hoffmann und weiteren WSG-Mitgliedern lebte. Fünf Monate waren seit den Morden vergangen – genug Zeit also, um eventuell belastende Indizien zu beseitigen. Nur schleppend kamen die Ermittlungen voran. Im Juni wurde Hoffmann festgenommen, wenig später auch Franziska Birkmann. Nach und nach wurden aus dem Libanon zurückgekehrte WSG-Mitglieder vernommen. Trotzdem dauerte es noch bis zum September 1984, bis der Prozess schließlich in einem zweiten Anlauf begann.

via amadeu antonio stiftung: „Ermordet von Händen von Bösewichten“: Der Mord an Shlomo Lewin und Frida Poeschke