Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer der Nationalsozialisten werden in Deutschland regelmäßig beschädigt. NDR und SZ haben Übergriffe seit 2016 zusammengetragen. Die Dunkelziffer ist hoch. Rechtsextreme pöbeln in KZ-Gedenkstätten, leugnen den Holocaust, fotografieren sich in ehemaligen Konzentrationslagern mit dem Hitler-Gruß. Sie beschmieren Infotafeln mit Hakenkreuzen, Gedenksteine mit Hassparolen oder brechen Stolpersteine aus dem Bürgersteig.Für Jens-Christian Wagner, den Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, sind rechtsextreme Übergriffe nichts Ungewöhnliches. Strafbare Taten zeigt er regelmäßig an, vieles werde jedoch gar nicht öffentlich. “Würden wir aus jedem Übergriff in der Gedenkstätte eine Pressemitteilung machen, müssten wir wahrscheinlich alle zwei, drei Wochen eine Pressemitteilung veröffentlichen.”NDR und “Süddeutsche Zeitung” haben für die vergangenen sechs Jahre eine Chronik von Übergriffen auf Gedenkorte erstellt, die an die nationalsozialistischen Massenmorde an den Juden, aber auch an die Ermordung von Zwangsarbeitern, Sinti und Roma, Sozialdemokraten, Homosexuellen, Kommunisten und Christen erinnern.Solche Übergriffe werden in Deutschland nicht zentral erfasst. NDR und SZ haben die Übergriffe daher aus Zeitungen, Protokollen von Landtags- und Stadtratssitzungen sowie Gesprächen mit Gedenkstättenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern zusammengetragen. Die Chronik erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und dokumentiert spezifisch Angriffe auf Gedenkorte. Sie erfasst aber keine Fälle etwa von Holocaustleugnungen auf Demonstrationen oder Hakenkreuzschmierereien auf Hauswänden. 09.05.2022 Chronik Rechte Übergriffe auf Gedenkstätten Immer wieder werden Mahnmale geschändet und von Rechtsextremen für Auftritte missbraucht. Keine zentrale ErfassungDie Gedenkstätte Buchenwald führt eine eigene Statistik und meldet antisemitische Übergriffe an die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus. Doch diese gibt es erst seit wenigen Jahren und noch nicht in allen Bundesländern. Viele Vorfälle bleiben vermutlich im Dunkeln, weil sie nicht zentral gemeldet werden. Der Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Jens-Christian Wagner, wünscht sich daher, dass rechtsextreme Übergriffe auf Gedenkstätten zentral erfasst werden. “Auch damit wir valide Aussagen darüber treffen können, ob etwas zunimmt oder abnimmt oder ob es qualitative Veränderungen gibt.”Rechtsextreme Übergriffe zögen sich als roter Faden durch die Gedenkstättenarbeit, sagt Wagner. Besonders in den 1990er-Jahren habe es sehr viele Übergriffe von Neonazis gegeben. In der jüngeren Vergangenheit beobachtet er ein weiteres Phänomen: “Was zunimmt ist, dass Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus und Rassismus sehr viel stärker gesellschaftsfähig geworden sind.” Das beobachte er vor allem in den sozialen Medien, aber auch bei den Besucherinnen und Besuchern der Gedenkstätte. “Eine kleine Minderheit tritt lauter und aggressiver auf als das noch vor fünf oder zehn Jahren der Fall gewesen ist.”

via tagesschau: Übergriffe auf Gedenkstätten Chronik des Hasses