Die Zeichnungen sehen aus wie von geübter Kinderhand mit Bleistift aufs Papier gebracht. Erst beim genaueren Blick fallen die Details auf – und sie entfalten eine eindringliche und erschütternde Wirkung. Hier ein wehrloses Opfer, dort ein Hakenkreuz oder abgetrennte Hoden auf einem Teller. Dieser ungewöhnliche Kunstfund aus der Zeit des Nationalsozialismus wird bald im Museum der Heidelberger “Sammlung Prinzhorn” ausgestellt. Erstmals wird damit eine Serie von Zeichnungen eines von den Nazis zwangssterilisierten und 1940 ermordeten Psychiatrie-Insassen präsentiert. Der Künstler Wilhelm Werner beweist sich auf den 30 Blättern als malender Zeitzeuge und gibt Einblicke in sein Martyrium in der “Heilanstalt Werneck” nahe Schweinfurt. “Vor zwei Jahren wurden mir die Zeichnungen von einem Ehepaar gezeigt”, sagt der Leiter des Museums, Thomas Röske. “Sie waren mit Bleistift auf den Rückseiten eines Auftragsbuches ausgeführt und in schlechtem Zustand.” Erst Ende 2008 habe er den besonderen historischen und künstlerischen Wert der Blätter erkannt und sie für die Sammlung erworben. Da der Künstler den Buchdeckel und seine erste Zeichnung mit seinem Namen versehen hatte, konnte ein Teil seines Leidensweges anhand des Aufnahmebuches von Werneck rekonstruiert werden. Demnach wurde der 1898 geborene Wilhelm Werner 1919 mit der Diagnose “Idiotie” in die Psychiatrie eingeliefert. Er war ledig, katholisch, berufslos. Zwar gibt es von Werner keine Krankenakte mehr, doch steht fest, dass er am 6. Oktober 1940 mit anderen Patienten aus Werneck nach Pirna-Sonnenstein transportiert wurde. In einer Krankenanstalt in der dortigen ehemaligen Festung wurden in den Jahren 1940 und 1941 etwa 15 000 Menschen umgebracht – auch Werner wurde Opfer der “Euthanasie”.
viaSammlung Prinzhorn: Opfer-Zeichnungen aus NS-Psychiatrie.